Finder: Voice

Superlativ
Es gibt nur wenige Comic-Künstler, die mit Carla Speed McNeil mithalten können. Nur sehr wenige. Die Wiederkehr ihrer »Finder«-Serie ist Anlass für ekstatische Ausgelassenheit.

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

Eine Beschreibung der Handlung von »Finder: Voice« ist völlig zwecklos und undienlich. Die »Finder«-Serie ist nämlich viel größer als dieses neueste Kapitel. Um das verständlich zu machen, muss hier etwas weiter ausgeholt werden: Zuallererst ist Carla Speed McNeil die wichtigste und beeindruckendste Comic-Künstlerin unserer Zeit, sowohl als Zeichnerin als auch als Autorin. Diese Behauptung vertrete ich mit größter Überzeugung, und den größten Beweis, den es dafür braucht, hat sie mit »Finder« selbst geliefert.

Die Welt von »Finder« ist vollständig. Vollständig im Tolkien’schen Sinn, allerdings ohne den ganzen Beschreibungs- und Erklärungswahn, der für Mittelerde notwendig ist. Geografie, Politik, Kultur, Sprache. Nichts davon fehlt, nichts davon muss an den Haaren herbeigezogen werden, um einem Moment Glaubwürdigkeit zu verleihen. Die Erzählung findet in einer organischen Umgebung mit Geschichte statt. Und nicht nur darin ist »Finder« vollständig. Carla Speed McNeils Charaktere sind wie Abbilder lebender Menschen. Jede einzelne Figur verfügt über eine Historie, ein Wesen, Wünsche, Sehnsüchte, Regungen, Gedanken. In all diesen Details ist »Finder« das atemberaubendste, mitreißendste fiktive Universum, das je in Comics zu sehen war.

Ihre wahre Kunst liegt aber darin, dass man für »Finder« keine zusätzlichen Erklärungen, keine Enzyklopädien braucht. Auch muss man kein Freund von Science Fiction sein, »Finder« ist so selbstverständlich in seiner Komplexität, dass die Lektüre dieser Comics wie ein Gespräch mit einem guten Bekannten, ja, vielleicht sogar einem guten Freund ist. In den einfachsten Strichen schafft McNeil es mit ihrem Stil, der expressionistisch wie realistisch, cartoonhaft wie minimalistisch ist, zwischenmenschlichen Austausch und intimes Gefühl mit berauschender Tiefe darzustellen. Plötzlich sind es keine Striche auf Papier, auch keine Symbole für Menschen, auf einmal sind da echte Personen. Man wirft einen Blick in ihr Leben und ihre Welt, begleitet sie einige Zeit. Die Dialoge und die Ereignisse sind echt – besser kann man sie gar nicht beschreiben.

1996 begann Carla Speed McNeil, »Finder« im Eigenverlag (Lightspeed Press) zu veröffentlichen. 15 Jahre und zwei Eisner-Awards später ist es zwar etwas ruhiger um die Serie geworden, doch die neue Zusammenarbeit mit Dark Horse bringt hoffentlich viele Leser mit »Finder« in Berührung. Der bekannte Kritiker Douglas Wolk wird auf der Rückseite des Einbands von »Finder: Voice« wie folgt zitiert: »McNeil is a cartoonist’s cartoonist, the kind of artist other comic professionals talk about with a little bit of awe« – dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...