From The Mouth Of The Cave

Stimmgewitter
Frauenstimmen, wo man hinhört – Gaggle aus London sprengen Formate und haben eine Agenda.

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

The Polyphonic Spree haben es vorgemacht: Wer das übliche Bandformat mit großem Kabumm in die Luft jagt, hat die Aufmerksamkeit auf seiner Seite. Dazu noch einheitliche, gerne auffällig bunte Gewänder, und die Fantasie des Rezipienten treibt freudig Blüten – endlich wieder eine Musiksekte! Als solche, aber auch als Band im Allgemeinen und als eine mit erhöhtem Logistikaufwand im Speziellen, bedarf es natürlich eines Rädelsführers. Im Falle von Gaggle, jenem 21-köpfigen Londoner Frauenchor, um den es hier geht: einer Rädelsführerin. »Eine große Menge Frauen auf einer Bühne, das ist das Erste, was du sehen sollst; Frauen, wie man sie zuvor noch nicht auf einer Bühne gesehen hat – Unmengen davon«, so die Idee von Deborah Coughlin. Nicht mit der Lieblichkeit eines Chors, sondern mit der Wucht eines Fußballstadions wollte sie Aufmerksamkeit erzeugen. Auch als Gegenposition zum Vier-Mann-Format, wie man es von so vielen langweiligen Indie-Rock-Bands kennt. Es gelang: Britische Medien reichten die unhandlichen Gaggle bald als aufregendste neue Band herum, noch ehe diese ein Album veröffentlicht hatte – man kennt das ja.

Nun ist dieses Album fertig, und der Schluss ist zulässig, dass hinter Gaggle nicht bloß Effekthascherei steckt. Es ist vielmehr eine Gruppe von Frauen am Werk, die ihre Musik als Gelegenheit versteht, die ungleich gewichteten Verhältnisse aus weiblicher Perspektive zu thematisieren. Das Private hat dabei ebenso Platz wie Wirtschaft oder Politik. Der Selbstermächtigung wird eine trotzige Hymne geschrieben (»Army Of Birds«) und es wird davon gesungen, dass man hinter sich lassen soll, was schlecht für einen ist (»The Cave«). Textlich vielleicht nicht immer supersubtil, aber das schadet kaum. Die Musik dazu stammt von Coughlin und Simon Dempsey, ihrem ehemaligen Kollegen bei der Band 586, der als einziger Mann aus dem Gesamtbild fällt. Es geht querfeldein: von R ’n’ B über Breitwand-Pop, vorbei an Disco-Funk und ein bisschen Weltmusik, bis hinein in düstere Synth-Strudel. Dazu geben Gaggle, einem Stimmgewitter gleich, wahlweise das goscherte Cheerleading-Team, den aufgescheuchten Indianerinnenstamm oder eine Armee atavistischer Hohepriesterinnen. Womit wir wieder bei der Musik-sekte angelangt wären.

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...