“Saint Dymphna“ ist eine musikalische Reise ins Herz der Finsternis, ein tönendes „Apokalypse Now“ für den War On Terror. Eine solche Interpretation des fünften Albums des Trios aus Brooklyn mag überraschen. Wo doch fast alle Kritiken von der neuen Eingängigkeit und den Dancefloors reden, auf denen Gang Gang Dance demnächst zu hören sein sollen. Blödsinn. […]
“Saint Dymphna“ ist eine musikalische Reise ins Herz der Finsternis, ein tönendes „Apokalypse Now“ für den War On Terror. Eine solche Interpretation des fünften Albums des Trios aus Brooklyn mag überraschen. Wo doch fast alle Kritiken von der neuen Eingängigkeit und den Dancefloors reden, auf denen Gang Gang Dance demnächst zu hören sein sollen. Blödsinn. Das Album ist schwer bekömmlich, streckenweise fast klaustrophobisch und rätselhaft ausgefallen und ohne naheliegende Hits. Andere wollen einen Neo-Primitivismus oder einen Neu-Tribalismus in der Band erkennen.
Doch „Saint Dymphna“ (nach der Schutzpatronin der Geisteskranken) gibt sich nicht mit billigen Novelty-Effekten ab. Hier wächst mühelos wirkendes Musikmachen und kunstvoller Ideenreichtum mit einer als archaisch empfundener Energie zusammen. Und die Breite der eingesetzten musikalischen Mittel ist ernst gemeint. Hier wird nicht einfach nur der Soundvorrat des Globus geplündert. Sondern die Vielfalt von Perkussionen, Schlaghölzern und hybriden Sounds führt von der ersten Sekunde an mitten in die roten Zonen der Völkerverständigung hinein. Klassische Elemente von Discopunk- und Freakfolk-Ästhetik verkeilen und reiben sich auf dem Album mit Sounds, Rhythmen und Melodiebruchstücken der globalisierten Peripherie. Dieses Album möchte in einem ganzen Schwung durchgehört werden.
Es löst Songs weitgehend in einem Strom von Motivpartikeln, Minithemen und Stimmungen auf. Es nimmt den Hörer auf eine Reise mit. Allerdings nicht, um sich im Exotischen zu vergessen. Sondern um sich selbst und den Auswirkungen seiner Handlungen im Anderen zu begegnen. Wie einem losen Programm folgend wandert das Album immer näher an Katastrophen, an die Schattenseiten der eigenen guten Vorsätze heran. Es startet bei der eigenen Initiation („First Communion“) und an der Wiege der Kultur („Blue Nile“), um am Ende bei der amerikanischen Militäroperation „Desert Storm“ und dem schwerelos-ätherischen Abschluss „Dust“ zu landen.
Ganz buchstäblich ist „Saint Dympha“ natürlich nicht als Auseinandersetzung mit den verhängnisvollen Zwangsbeglückungen des westlich-politischen Systems dechiffrierbar. Dann würde das Mysteriöse des Albums verschwinden und mit ihm jede Faszination. Aber es ist erstaunlich, wie viele Teile dieses Albums sich in diese Richtung hören lassen. Artwork, Albumtitel, Sound- und Trackstrukturen. Doch selbst ohne diese verdeckten Gedankenströme hätten Gang Gang Dance ein ganz hervorragendes Album gezaubert.