Portugal, einst dank Kolonien wie Brasilien reichste Nation Europas, wurde im Wirtschaftswachstum längst von Brasilien überholt und muss nun EU-Notkredite erbetteln.
Noch vor Ausbruch der Schuldenkrise schickt der Wiener Schriftsteller und Kunstjournalist Erwin Uhrmann in seinem zweiten Buch einen Ich-Erzähler in das ärmste Land Westeuropas und in dessen Verstrickung mit der Ex-Kolonie. Als Assistent der lungenkranken Kunsteinkäuferin Olivia sucht er Künstler in Lissabon und Porto auf. Doch zunehmend genervt von Olivias arrogantem Gehabe und der seinem Hippie-Marxismus widerstrebenden hedonistischen Vitalität der Maler gilt seine eigentliche Suche den Spuren des brasilianischen Regisseurs und Filmtheoretikers Glauber Rocha (1938-1981). Dieser hatte eine Ästhetik des Hungers konzipiert und war der Militärdiktatur nach Portugal entflohen. Und tatsächlich dringt er in Rochas verwaistes Haus in Sintra ein, ohne recht zu wissen, was genau er ans Licht bringen will – während Olivias Zustand sich verdüstert. Uhrmanns melancholische doch leichtfüßige Erzählung lebt von der Wechselbeziehung zwischen scheinprogressiver Gegenwart und unverarbeiteter Kolonialgeschichte, zwischen Mentalitäten bestimmender Natur, Urbanität und Kultur. Über seinen zwischenmenschlich tapsigen, doch trotzig Idealen nachsinnenden Helden gelingen subtile Einblicke in die soziale Realität portugiesischer Kunst zwischen laxer Saturiertheit und kritischem Ethos.