Her

From Her To Eternity.

Wie es bekanntlich im falschen Leben kein richtiges geben soll, so gibt es auch im virtuellen kein reales: Spike Jonzes meisterliche Tragikomödie rüttelt am Kern von Liebe und Beziehungen.

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Fünf Oscar-Nominierungen und ein Golden Globe können nicht irren: Spike Jonzes neuer Film toppt sein bisheriges, an Höhepunkten nicht eben armes Oeuvre. Diesmal lädt der 44-Jährige seine brillante, an Musikvideos geschulte Kameraästhetik, Verschrobenheiten und Popkulturzitate mit einem kleinen philosophischen Kommentar zu Liebe und Beziehungen, genauer: deren Fragilität und Absenz auf.

Jonze nutzt dafür das bewährte Vehikel des Sci-Fi-Movie und entwirft eine stylishe visuelle Kulisse aus ultra- und retromodernem Design, in der die schöne neue Welt Realität scheint. Darin bewegen sich die Menschen mit zenbuddhistischer Ausgeglichen- und schlafwandlerischer Sicherheit. Einer von ihnen: Theodore Twombly (Joaquin Phoenix), der berufsmäßig poetische Liebesbriefe schreibt, seine Freizeit aber völlig einsam mit Video-Gaming verbringt, seit seine Ehe gescheitert ist. Die entstandene Leere füllt sich erst, als er ein neues Betriebssystem installiert, das sich einfühlsam selbst auf den User programmiert. Samantha (Scarlett Johanssons Stimme) entpuppt sich als dermaßen empathische, humorvolle und hilfsbereite A.I., dass sich zwischen beiden eine Liaison entwickelt.

»Her« reißt mit unaufgeregter Sanftmut einen Themenkomplex an, der sich gerade in verschiedenen Variationen im Kino wiederfindet. Theodore steht einmal mehr für einen aktuellen Männertyp als Protagonisten: Sehr sensibel und ebenso einsam scheitert und resigniert er grandios am Paarmodell, das sich an der neoliberalen Gewinnmaximierung orientiert. Statt sich wie Walter Mitty in Tagträume zu flüchten, sucht er Zuflucht in einer user-optimierten Virtual Reality und körperlosem E-Sex. Wo kein realer Anderer und kein Körper, da kein Schmerz, möchte man meinen, noch dazu, wenn man angepasst individualistisch um sich selber kreist. Jonze knackt diese Illusion ziemlich gründlich und bisweilen unangenehm. Der scheinbar aufgeklärte, technisch progressive Rückzug auf sich selbst wird zum Boomerang. Mit verschmitzter und kluger Leichtigkeit stellt »Her« die Fetische Kommunikation und Connection vom Kopf auf die Füße und macht deutlich, wie viel (oder auch wenig) es braucht, um Verbundenheit, Geborgenheit und Beziehungen herzustellen. Dass es vielleicht nicht der Netzwerkgedanke ist, bei dem sich jeder global connected glaubt, ist, sondern doch auch ein anderes Betriebssystem braucht, schlägt Jonze schon mal vor.

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