Hot Spot

Steherqualitäten
Im Lokal Michl’s beim Wiener Rathaus sollen Erwerbslose auf den »primären Arbeitsmarkt« vorbereitet werden. Mit ungekünstelter Sympathie folgt »Hot Spot« den dort Betreuten auf dem schmalen Grat zwischen Fürsorge und Kontrolle.

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Andere Zeiten, andere Themen: Nach Angela Summereders feinem »Jobcenter« im Vorjahr kommt mit »Hot Spot« die nächste österreichische Dokumentation in die Kinos, die sich einer Institution zur Schulung und Vermittlung Arbeitsloser widmet. Wie Summereders Film setzen auch die Beobachtungen von Derflinger (Regie) und Michael Seeber (Idee und Buch) dort an, wo es den journalistischen Medien an langem Atem gebricht. Diese Differenz wird in »Hot Spot« explizit thematisiert, wenn zum 5-Jahresjubiläum des Michl’s die Nachrichtenkameras anrücken, um Namensgeber Michael Häupl abzulichten anstatt der Arbeitskräfte in Küche und Service, deretwegen dieser gemeinnützige Betrieb überhaupt existiert. Pro Jahr werden im Michl’s durchschnittlich 27 schwer vermittelbare Personen betreut, viele von ihnen haben Einschneidendes hinter sich wie der Kellner Christian, dem nach einer Krebserkrankung auch seine guten Zeugnisse nicht zurück in den Beruf helfen, oder Peter, der erst einmal seine Post der letzten drei Jahre wird öffnen müssen, um seinen genauen Schuldenstand kennenzulernen. Ihnen und dem zwischen Zuversicht und Resignation schwankenden Andreas folgt Derflinger auch über die achtmonatige Betreuungszeit im Michl’s hinaus. Einige andere lernt man in prägnanten Szenen zwischen Küchenalltag und Beratungsgesprächen kennen.

So deutlich das Bemühen der Betreuer um individuelle Hilfestellung ist, so zwiespältig bleibt die Haltung von »Hot Spot« zu derlei »arbeitseingliedernden« Institutionen: Die Grenze zwischen Fürsorge und Bevormundung ist hier oft kaum mehr zu greifen. Es gilt, den Wert der eigenen Arbeit kennenzulernen. Aber wer diesen allzu selbstbewusst veranschlagt wie Peter, der partout nicht als Küchenhilfe beim Abwasch landen will, muss erst recht wieder auf den Boden der prekären Arbeitsmarktsituation geholt werden. (Umgekehrt räumt Derflinger auch der frustrierenden Arbeitserfahrung der Betreuer eine aufschlussreiche Szene beim internen Meeting ein.) Da helfen manchmal nur eine dicke Haut und ein bisschen Möglichkeitssinn: »Ich hab eh keine Zeit, dass ich länger arbeitslos bin«, murmelt Peter am Ende. Während der Abspann läuft, hört man ihn am Computer Stellenangebote durchgehen.

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