If You Leave

Daughter arrangieren Einsamkeit zu schockgefrorenen Momenten und blasen Bomben in sie hinein.

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Jedes Kräuseln des Echos ist perfekt gesetzt, jedes Knistern der Gitarre, jedes Rascheln des Perlenohrgehänges – die Körper dieser Lieder sind kunstvoll geschreinert, Daughter selbst an ihren Instrumenten fehlerlos. Aber das ist ja erst der Anfang. Die Technik ist nur der Boden für zehn wuchtige Ein-Wort-Titel auf dem Debüt des Londoner Trios. Ein Debüt … aber das ist egal. Qualm. Winter. So heißen sie, haben höchstens drei Silben, heißen Mensch, Morgen und Jugend. Daughter fangen ganz vorne an, bei den ersten Gefühlen, einfachen Dingen und verfeinern sie, erweitern sie behutsam. Das geht, weil es Musik ist, weil die Worte mit ihrem Klang und dem Sound von trockenen Gitarren zu mehr werden als sie selbst. Weil Angst, Zweifel und Fieber mit vereisten Melodien neue Schattierungen bekommen, andere Bedeutungen, neuen Sinn. Weite Teile sind leer geräumt. Stimme, Führungsgitarre und schwacher Hall tragen die Songs; das Schlagzeug spielt nur punktuell, akzentuiert, dann mit schweren Paukenschlägeln. Auf dem Weg dorthin werden Nackenhaare gerade gerichtet, Menschen verlassen und Seelen angestochen.

Und was ist das für eine Stimme! Sie singt unprätentiös, ohne Eigenschaften und Eigenheiten aber viel Textur von Schuld, Liebe und Ersticken. Elena Tonra und ihr Freund bilden das Kernduo von Daughter. Da sind Fragen über das wahre Leben in ihren Texten zwar unergiebig, weil die Songs dadurch nicht besser und auch nicht schlechter werden, drängen sich aber dennoch genug auf, um die innere Spannung zu verstärken. Zu allem Überfluss hat Elena Tonra alles, was ein Can-Do-Girl braucht.

Wem Zola Jesus zu modrig ist oder Soap & Skin zu tödlich, für den singen Daughter Lieder von Eis und Feuer. Und während The XX und Esben And The Witch stagnieren, werden sie von Jüngeren, noch Tiefgraueren, noch Einsameren übertroffen. Daughters »If You Leave« hat also Geistesverwandte, schafft dabei ohne offensichtliche Schlüsselsounds wie MPCs und erschöpfte Stimmen etwas konsequent aus der Zeit Gefallenes zu machen. So etwas wie symbolischen Naturalismus, mit rätselhaften Bedeutungen, die nie ganz sagen was sie umtreibt, dabei Körper, Stoff und Raum der Songs ganz natürlich klingen lassen. Hat hier jemand Klassiker gesagt?

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