Auch im sonnigen Kalifornien brodelte Ende der 70er die Anarchie. Punk-Professor Jon Savage hat die kaputtesten der kaputten Bands auf eine CD gepresst.
Einiges an dieser hervorragenden Zusammenstellung von Jon Savage erinnert an heute. Damals gab es eine kleine, aber umso lärmigere Gegenkultur, die abseits der ausgetretenen Pfade von Presse und TV brodelte und sich langsam – und oft vergeblich – versuchte, eigene Strukturen, also Fanzines, Verteilerlisten, Vinyl in Kleinstauflagen usw. aufzubauen. 1977-80 – das sind die Lehrjahre einer vergessenen Generation, die sich die Freiheit herausnahm, in einem schwarzen Loch total auszuflippen. Immer wieder geht es Jugendkulturen so. Nur in ihrer radikalen Ablehnung kapitalistischer Strukturen – man versuchte als Ausgestoßene noch nicht einmal ein Label zu finden – war diese verstreute Punk-Zelle in Kalifornien einzigartig. Jon Savage hat nun mit Akribie recherchiert – die Songtexte sind besonders kalt und taub und beeindrucken mit ihrer schieren Wucht und Härte. Da ist keine Balance im Sound, überhaupt keine Ausgewogenheit, die Gitarren klingen wie Schrott, wie Blechbruchstücke, wie beschädigte Ausschussware der postindustriellen Gesellschaft. Kein fetter Sound, keine Virtuosität, blankes Gebrüll ist in diesen Songs. The Bags etwas sind großartig skurril, The Screamers mit ihrem No-Fi-Schlagzeug, zwei Synths und null Gitarre sind das noch mehr. Nur die Dead Kennedys haben es hier zu mehr als lokaler Bekanntheit gebracht. Ihre Gleichförmigkeit und Ununterscheidbarkeit war es aber, was genau diese Szene ausmachte. Und durch die Brille von Jon Savage wirkt das alles noch tauber, stumpfer, leerer.
Ganz anders geht Kris Needs vom Zigzag Magazin an das Thema heran. Wo Jon Savage sein Hirn mitten in das farblose Nichts des Punk hält, umwandert Kris Needs das Herz der Anarchie und bleibt fast vollständig auf dem langweiligen Fundament von Bier-seeligem Rock stehen. Und da tun sich zwischen beiden Compilations einige fast schon klassischen Widersprüche von Punk auf: Bei der einen ist das Genre eine radikale, avantgardistische Ästhetik von ein paar Aliens, bei der anderen eine räudige Party von Aussteigern, die ihre Gitarren gern laut haben und ihre Autos mit viel PS. Einige der Songs machen natürlich überraschende Verbindungslinien auf, aber die vielschichtigere Revision der Punkgeschichte liefert hier eindeutig Jon Savage.