Ein Mann und seine Violine spielen Soul, den der richtig weh tut. Die Song-Prothesen sitzen noch nicht, aber die Single „Control“ hilft über das dumpfe Stechen hinweg.
Ein Song wie „Control“ kann Leben retten. Mindestens. Wenn nicht einen ganzen Sommer. Aber Marques Toliver ist kein geborener Star. Das sieht man zum Beispiel im slicken, aber schlichten Video. Warum sonst sollte er ganze drei Jahre für ein Album gebraucht haben, nach seinem Auftritt bei Jools Holland, der goldenen TV-Kammer für gebildete Teetrinker und Musikkenner, wo er nur mit seiner Violine darum flehte keine Schmerzen mehr zu haben, sich ans Flussufer zum Sterben hinlegte und nun ja, seine Seele aufs Silbertablett sinken ließ. Adele selbst hatte ihn als ihren neuen Lieblingskünstler bezeichnet, er wurde von TV On The Radio an einer Straßenecke entdeckt, hat mit Holly Miranda getourt – nur so richtig hat er sein Schritttempo auf seinem Debütalbum noch nicht gefunden, trotz seiner Förderer und Kuppler.
Das liegt einerseits an den Themen. Der erste Song „Sweet CanAan“ eröffnet das Album wie eine Vorausblende auf das Ende, mit verminderten, offenen Akkorden und gequältem Funk. Ok, es wird also nicht lustig. Das gleich am Anfang sagen, ist zumindest … ungewöhnlich. Tatsächlich singt Marques Toliver von biblischen Themen, von Kanaan, dem Land wo Milch und Honig fließen, von Exodus, Sklaverei, Geld, Unterdrückung, Befreiung und natürlich auch von Liebe, süßer, süßer Liebe. Hörbar hat Marques eine nicht ganz leichte Kinderstube gehabt. Andrerseits hört man manchen seiner Songs noch stark ihre ungewöhnliche Entstehung an, durch einen Mann und seine Violine. Die Glocken, Schlagzeug, Trompeten wirken noch wie Prothesen, die nicht richtig sitzen. Allein aber, weil Marques Toliver zu einem Song wie „Control“ fähig ist, sollte man ihm mindestens noch ein zweites Album lang zuhören. Oder einfach „Control“ noch ein Mal.