50 Jahre Fluxus, ein guter Anlass, um mit »Maciuna’s Learning Machines« eine Sammlung von George Maciunas’ Aufzeichnungen und Diagrammen zu der von ihm initiierten Kunstbewegung herauszubringen. Ein anspruchsvoller Ausflug in die Kunsttheorie.
Unabsichtlich diente mir »Maciunas’ Learning Machines« erst einmal als Sitzunterlage – ist es doch ein großformatiges, kompaktes Buch, auf dem es sich – besonders bei kühler Witterung – ohne Weiteres gemütlich ein Weilchen Platz nehmen lässt. George Maciunas hätte da sicher nichts dagegen gehabt. Die Veröffentlichung der Bildhistorikerin Astrit Schmidt-Burkhardt ist keine Biografie des Begründers der Fluxus-Bewegung, vielmehr ein Kompendium seiner theoretischen Ergüsse. »Fluxus« – ein Begriff, der vielen Leuten erst einmal verzwickte Gesichtszüge beschert: avantgardistisch – mühsam – verquer – Dada? Kurz, ein Begriff für eine Kunstströmung, der sich nicht leicht auf einen Nenner bringen lässt – und auch nicht gebracht werden soll. Die zweite, überarbeitete und ergänzte Ausgabe der »Learning Machines« in englischer Sprache mit einem sehr aufschlussreichen Vorwort des amerikanischen Jazzmusikers Jon Hendricks führt »from art history to a chronology of fluxus« und ist keine Bettlektüre. Man muss bereit sein, sich den Weiten von Maciunas’ visuellem Informationssystem öffnen. Schnell wird deutlich, mit welch emsiger Motivation und Ernsthaftigkeit der US-Amerikaner litauischer Abstammung bemüht war, die (kunst)historische Vergangenheit zu veranschaulichen, um dadurch Zusammenhänge im Zeitgeschehen herauszuarbeiten. Karten, Diagramme, Grafiken, Pläne und Tabellen – fein säuberlich zu Papier gebracht, um die seit den frühen 60er Jahren existierende Bewegung zu manifestieren – , sind auf 200 Seiten gesammelt, katalogisiert und erläutert. Einleitende und ergänzende Texte bieten die Möglichkeit, sich den komplexen Ideen anzunähern. Der Künstler und Theoretiker war der Überzeugung, dass man das, was war, visualisieren muss, um Zusammenhänge und Bezüge, Entwicklungen und Begründungen im Jetzt zu verstehen. Fluxus – alles fließt – fließt ineinander: Geschichte, Musik, Kunst, Politik, Happening und das Leben an sich strömten zusammen, vernetzten sich zu einem intermedialen Ganzen, das oft in Form einer vielschichtigen Performance aufgeführt wurde. Schmidt-Burkhardts Veröffentlichung erreicht Wien in einem Ausstellungs-Schwerpunkt rund um die 60er und 70er Jahre – und zum 100. Geburtstag von John Cage, der mit seinen musikalischen Konzepten als Schlüsselfigur des Fluxus gilt.