The Radio Dept. sind eine emotionale Katastrophe. Und leider auch eine der besten Bands dieses Planeten. Ungelogen.
„Lesser Matters“ war ein stilles Erdbeben. Keine Sensation, kein flammendes Inferno, kein Internet-Hyperventilieren, eher wie ein neuer, bester Freund mit dem etwas verbindet, das man nur schwer in Worte fassen kann. Dass es auf der Welt mehreren Leuten mit dieser Band so ging, konnte man daran ablesen, dass „Lesser Matters“ etwa vom nicht unbedeutenden NME zum neuntbesten Album des Jahres 2004 gekürt wurde. Auf dem Album waren die komprimierten Leiden des jungen W und der jungen L zu hören, jugendlicher Leichtsinn, die totale Verwirrung wegen der eigenen Sexualität, Weltpathos, Kontingenz und Vanitas, also all das, was spätestens mit dem ersten Kind in den Hintergrund tritt und frühestens mit dem ersten Infarkt wieder aufgeblendet wird. Dabei verwendeten The Radio Dept. einfachste Melodien, das Anfänger-Set der Harmonielehre, keine raffinierten Arrangements – musikalisch boten sie einfach nur ignorante Abgeschlafftheit mit den immer selben Instrumenten. Aber auch so kann, ja muss, Renitenz und emotionale Abspaltung aussehen: musikalisch hoffnungslos rückwärtsgewandt. Was es aber war, das diese Songs trotzdem in so viele Schlafzimmer brachte, lässt sich weder mit Marketing, Soundforschung, Soziologie oder Musikgeschichte schlüssig erklären. Es gibt unzählige Bands da draußen, die dieses Gefühl des Verlorenseins im riesigen Angebot der Lebenswelten auffangen und weitertragen. Aber keine andere Band – keine – tut das so gründlich wie The Radio Dept. Mit dem Album „Clinging To A Sheme“ sprach sich das letztes Jahr endlich auch in Nordamerika herum.
Nicht jeder kann sich diese innere Unentschlossenheit von The Radio Dept. leisten. Im wohlstandsverwahrlosten Schweden geht das. Sogar ihr Label schreibt im Booklet, wie mühsam und aufreibend die Zusammenarbeit mit der Band immer war. Doch das Ergebnis war die Mühen wert. Nachzuhören ist das auf einer CD mit allen A-Seiten, auf einer weiteren mit allen B-Seiten der Band. Nicht jedes Album von The Radio Dept. konnte überzeugen. Aber auf zwei CDs mit allen Singles komprimiert, ist die Band ein Muss.