Pop wie er sein soll. Clever und simpel. Nach „Alors On Danse“ hat der Belgier Stromae wieder tanzbare Alltagspoesie zur Potenz geschrieben.
Im Video zu „Formidable“ stolpert Stromae an einem regnerischen Tag über einen Platz in Brüssel, der grauesten Stadt auf diesem Planeten, restbetrunken, frisch getrennt, jault gequälte Worte, Straßenbahnen fahren vorbei, zwei Mal wollen ihm Leute helfen, er bleibt allein. „Bâtard“ ist so etwas wie eine grimmige Anti-Rassismus-Hymne. Und auf „Papaoutai“ werden fehlende Väter – die Scheidung für Arme – in kurzen, schneidende Zeilen besungen, Papa ou t’es, also Papa, wo bist du. Und so geht es dahin. Die Songs von Stromae sind der lebende Beweis, dass Pop dahin gehen kann, wo es weh tut, nicht nur kurz für einen kurzen Song, sondern immer wieder. Auch „Racine Carre“ ist nach dem großartigen Debüt „Chesse“ wieder ein hinterlistiger Brocken Popmusik geworden.
Man könnte nun raunzen, braucht es das denn, Pop ist doch Gegenwelt und Eskapismus. Aber ja, das braucht es, unbedingt. Pop ist bunt, Pop hat viele Gestalten, und wenn Pop viele Leute erreicht und dabei nicht nur den Status Quo abfeiert, oder sie mit ihren Problemen ernst nimmt, kann man das nur gut finden. Der andere Pop muss ja deswegen noch nicht verschwinden. Musikalisch reißt Stromae zwar keine Gewissheiten um – hier ein bisschen Trap, da ein wenig Merengue, der Song „Moules Frites“ klingt nach The Very Best und sonst gewohnte Breitbandbeats –, er spielt aber locker auf internationalem Niveau, auch was die Nervigkeit der einen oder anderen Melodie betrifft. Sogar in den USA, traditionell keine Fremdsprachengenies, hat Stromae damit die Top100 geknackt. Sonst aber möchte man zu diesen Liedern trinken, man möchte vergessen, man hasst sich auch selbst ein bisschen und fühlt dabei sich verstanden. Pop also wie er sein soll.