Rapprocher

Als ob Madonna in einen Jungbrunnen voll mit Glam-Pop gefallen wäre und dabei ihre Antidepressiva verloren hätte: Class Actress entführt uns in ein melancholisches Discokugel-Hausen.

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Das Brooklyner Trio Class Actress lotst uns mit seinem new-wavigen Ambient-Elektro ohne Umwege zurück in die Achtziger. Das war nicht immer so, denn Frontfrau Elizabeth Harper startete mit Singer-Songwritertum und wandte sich erst futuristisch-kalten Pop-Sounds zu, nachdem sie die Produzenten Mark Richardson und Scott Rosenthal ins Boot geholt hatte. Zusammen kreieren die drei aufgekratzte Tunes aus hypnotischen Beats, die durch die Lyrics eine trübsinnig-romantische Note erhalten.

Der eröffnende Track „Keep You“ wird dominiert von der verführerisch-gebietenden Stimme der Sängerin und schließt damit nahtlos an die EP „Journal of Ardency“ aus dem Vorjahr an. „Need to Know“ ist ein Stück Musik wie aus einer anderen Welt mit Handclap-Beats und Bass-Wirbeln à la John Carpenter. „All the Saints“ verbindet sinnige Lyrics („God forbid an altercation making you regret“) mit gehauchten Vocals und – zugegebenermaßen – grenzwertigem Plastik-Pop. Der heimliche Höhepunkt des Albums kommt mit dem dunkel schimmernden „Let Me In“, das ein 43-minütiges Schmachten und Posieren im Stroboskop-Regen beschließt.

Class Actress haben den Dreh raus, wie man launige Electronica mit tragisch-romantischen Gesängen verbindet. Dominierendes Sujet: Liebe – die der holprigeren Gangart: Machtspielchen, brechende Herzen und ein Nicht-loslassen-können sind zentral. „So I’ll let you wait and think of me […] / I hear you calling / I’ll let it ring ring ring / you’re gonna miss me so bad“ singt Harper etwa in „Missed“, in „Love Me Like You Used To“ vertont sie die Qualen einer verschmähten Geliebten. Dazu ertönen gekonnte Minimal-Elektro-Beats, die beinahe an The XX erinnern und zum Tanzen animieren. Aber nicht etwa zu einem extatischen Tanzen, sondern zu einem, bei dem man sich, den Kopf dem Boden zugewandt, nur leicht hin- und herwiegt, ein Tanzen, das etwa in Twin Peaks die gute Audrey Horne, auf ihre schwarz-weißen Budapester starrend, perfektioniert hat. Auch wenn Class Actress eine Atmosphäre irgendwo zwischen Trübsal und einer „Ich-bin-zu-cool-für-diese-Welt“-Attitüde vermittelt, hat es selten, aber doch ein Lied auf die Platte verirrt, das voll und ganz durchtränkt von Sonnenschein ist: das bezaubernde „Bienvenue“ etwa.

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