Ans Original kommt er nicht heran. An den großen Recomposed-Vorgänger auch nicht. Bleibt: die Elektronika-Classix–Verdienstnadel für Herbert.
Vor etwas mehr als fünf Jahren versuchte das ehrenwerte Klassik-Label Deutsche Grammophon mit mäßigem Erfolg sich eine jüngere Zielgruppe zu erschließen. Mit subjektiven Klassik-Selektionen von intelligenten, glaubwürdigen Männern wie Diedrich Diederichsen, Harald Schmidt oder Christoph Schlingensief. Oder den ersten beiden Teilen der Recomposed-Serie. Dann aber kam Recomposed von Carl Craig und Moritz von Oswald. Die beiden nahmen die vermeintlich unantastbaren Werke von Ravel und Mussorgsky auseinander, setzten sie neu zusammen und versetzen ganz Techno-Deutschland in Aufruhr. Ein kurzlebiger Trend war geboren. Klassik und elektronische Musik hatten neben dem Werk von Steve Reich eine weitere, universelle Schnittstelle. Matthew Herbert geht nun auf dem unmittelbaren Nachfolger deutlich konzeptioneller an seine übermächtige Vorlage heran. Anstatt Mahlers allerletztes, unvollendetes Werk von 1910 mikroskopisch in Richtung Techno zu reorganisieren, wurden hier längere Passagen in neue, thematische Zusammenhänge gestellt. Mal wurden Teile der Symphonie an ein Kofferradio in einem Sarg geschickt und neu aufgenommen, mal das eröffnende Viola-Motiv von Mahlers Zehnter am Grab am Wiener Zentralfriedhof neu eingespielt, dann Umgebungsgeräusche, die beklemmende Atmosphäre des kompositorischen Arbeitszimmers hinzugemischt oder mit Filtern eine historisierende Schall-Patina aufgetragen. Herbert reflektiert dabei die konkreten, medialen und lebensweltlichen Bedingungen des sterbenden Komponisten Gustav Mahler. Er hat damit ein kommentierendes Album geschaffen, das auf Papier besser funktioniert als am Ohr.