San Fermin

Bulle trifft Orchester
Nach der Stierhatz im spanischen Pamplona benannt, vertonen San Fermin das Leben als eine opulente, theatralische Jagd nach Liebe immer kurz vor dem Absprung.

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Manchmal braucht es etwas länger. Ein hässliches Cover, ein unbekannter Name, eine Stimme als wäre sie ganz nach The National geformt, verkopfte Instrumentierung wie vom Konservatorium – da lässt sich ein Kleinod wie das Debüt von San Fermin leicht übersehen. Das wurde bereits Anfang des Herbsts veröffentlicht, zwei Monate später nochmals im deutschen Sprachraum, was auch immer das im Zeitalter von Internet bedeuten mag. Ellis Ludwig-Leone hat es in der kanadischen Bergeinsamkeit geschrieben. Sechs Wochen lang, konzentriert, nur dort, mit einem Buch von Hemingway unter dem Kopfpolster. An eine Band hat er damals noch gar nicht gedacht, der Yale-Absolvent, und lässt konsequenterweise gleich andere singen und spielen. Mehr als ein Dutzend Menschen, um genau zu sein. Das unterscheidet ihn von den anderen komponierenden Schwerenötern mit schwerer Stimme wie etwa Daughn Gibson, Dirty Projectors, Efterklang, Scott Walker oder Miike Snows Andrew Wyatt, die sich selbst in den Zentrum ihres Sounds stellen. Die Arrangements von San Fermin hängen voll mit Bläsern, Streichern, Piano und Percussion. Meistens sind sie die Träger der Harmonien und also der Songs selbst, sind nicht einfach nur eine teure, orchestrale Fettschwarte, weil man eben kann.

San Fermin kann. Die klassische Ausbildung ist deutlich zu hören. Technische Perfektion macht Songs nun normalerweise fader. Wenn sich dazu aber auch noch ein großes Gespür für Songwriting gesellt, wird es schwer, sich dem zu entziehen. Und »Sonsick« – was für eine Hymne. Zudem ist es der vermutlich einzige Song, der den Bechdel-Test bestehen würde, der – eigentlich fürs Kino gedacht – fragt, ob darin Frauen miteinander reden, nämlich über etwas anderes als Männer. Dieses weibliche Duett türmt eine sonnige Übelkeit zu einem bombastischen Refrain auf. So macht man das wohl heute, wenn man Sounds so mühelos komponieren kann: statt Zwölfton und Jazz schreibt man Songs mit lockerer Feder, die hier gleichermaßen psychedelisch, soulig und folkig klingen. Am Ende geht sich sogar der große Erzählbogen des Albums aus, ein Glaubensbekenntnis ganz ohne Gott, dass nach allen Orgasmen in diesem langen Halbschlaf eben doch ein kleines Etwas von uns übrig bleibt … singt das und klingt mit einem hellen Brodeln in den Geigen und Verdauungsstörungen in den Celli aus. Besseres Stieropfer, quasi.

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