Die Mitte der Straße
Innere Kämpfe und aufdringliche Power-Balladen – auf „Slipway Fires“, ihrem dritten Album, beweisen Razorlight einen ausgeprägten Mangel an Subtilität.
Auf einer entlegenen schottischen Insel sei es ihm gelungen, sich mit jenen Schatten auseinanderzusetzen, die der Erfolg seiner Band auf ihn geworfen habe, erklärt Johnny Borrell in Interviews. Und siehe da: Egal, wie sehr sich die Lyrics des neuen Razorlight-Albums nun tatsächlich auf Borrells Biografie beziehen mögen – es scheint so, als hätte er einen Weg gefunden, seine inneren Kämpfe auf dem Papier auszutragen: „And the face from my mind is fading / I count the wounds for the very first time / Tonight there’s going to be a reckoning / I’m entering the house where my father died.“ Auch sein Selbstbild bringt der Sänger dabei auf den Punkt: „I’ve got a flaming road of karma and a mobile phone / I was raised by the radio in a broken home / I’ve got a broken smile and an arrogant line / I’m really no-one special but I’m in my prime / I’ve got a hardbody girlfriend / A wallet full of cash / You can bury my body / I’m just North London Trash.“
Dass Borrell sich bei derart persönlichen Verortungen immer wieder auf textliche Plattitüden zurückzieht, trübt den Spaß an „Slipway Fires“ gewaltig. Vor allem, weil auch die Musik des Albums seine maßlosen Ambitionen mit allzu großer Aufdringlichkeit ausstellt. War der Gitarren-Pop des gelungenen Razorlight-Debüts „Up All Night“ noch von einer zappeligen Ruhelosigkeit getragen, so gibt seit Album Nummer zwei die Mitte der Straße die Richtung vor. Wer braucht schon Subtilität? Jede Ballade soll schließlich auch im Stadion funktionieren und je kontrolliert-exaltierter die Rockgestik, desto einfacher wird sie auch als solche erkannt. Dass das Londoner Quartett mit diesen Überlegungen nicht ganz falsch liegt – die Verkaufszahlen werden es beweisen –, ändert nichts an der Einsicht, dass spannende Musik nach gänzlich anderen, weniger schematischen Kriterien funktioniert. Eine Tatsache, die sich Razorlight hoffentlich auch noch erschließen wird.