Nach dem Soul kommt der Rock’n’Roll: Saadiq dreht das Karussell der täuschend echt und perfekt inszenierten, historischen Musikkulissen noch weiter zurück.
Es steht im Titel: „Rollin’“ zeigt eine Veränderung zum Vorgängeralbum an; nämlich Rock’n’Roll. Und zwar in einer höchst eleganten und dabei leicht gezähmten Ausführung. Die Shouts sind gedrosselt, die Verzerrung nur behutsam aufgedreht, die Mundharmonikas werden artig verschliffen; beizeiten rücken sogar ganze Kammerorchester-Arrangements an und machen aus dem so erfahrenen Helden des Neo-Soul – Raphael Saadiq – sogar einen sanften Chansonier – Schule Serge Gainsbourg oder Scott Walker. Meistens wird auf „Stone Rollin’“ aber gesittet gerockt.
Diskussionen darüber, inwieweit und bis zu welchem Grad Historismus im Pop überhaupt Sinn macht, werden von der Popkritik gar nicht erst gestellt, es spräche ja etwas an, irgend etwas sendet Rückkopplungen ans Herz und damit bitte Ende der Grundsatzdiskussionen. Was das aber genau ist, eben nicht nur Gegenwartsvergessenheit, die uns Raphael Saadiq da präsentiert, wird kaum einmal besprochen. Denn „Stone Rollin’“ taugt gleichzeitig als akustisches Interieur, ist dabei perfekt inszeniert und ringt den alten Schnittvorlagen aber auch neue Funktionsweisen ab: Etwa die Art wie sich etwa im Titeltrack „Stone Rollin’“ Gitarre, Drums, Bass, das historisch nicht ganz akkurate Mellotron und Saadiq selbst Spiralen umeinander ziehen, sich zu einem Strudel verdrehen, ist nicht nur ein Highlight des Albums, sondern zeichnet auch Verbindungslinien zu Funk, Soul und fährt mit dem Zeitempfinden spazieren. Saadiq kann so den Retro-Entertainer geben ohne aber dabei auf die Musikgeschichte und technologischen Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit zu vergessen. Und so wird der historischen Fassade wieder mit Leben gefüllt.