Von wegen Berlin-Album! Statt Minimal-Techno servieren die drei Ausrufezeichen eine kalte Krisenplatte mit dichten Grooves, fahlen Hooks und bitterem Abgang.
!!! (sprich: Chk Chk Chk) fehlte bisher immer die Lockerheit von LCD Soundsystem, und der Pop-Appeal von The Rapture. Eine weitere Schwäche der Band aus Sacramento war immer die Stimme von Nic Offer, der zwar regelmäßig drastische Slogans, aber keine rechte Melodie auf den Weg brachte. So galten !!! manchen als zu extrem und unnachgiebig. Das ändert sich auch beim aktuellen Album nicht. Geblieben sind die kreiselnden Echos, der verwaschene Funk, aber auch der hypnotische Groove der Band; eine Art von Groove, der stärker im Ohr bleibt als konkrete Hooklines. !!! sind dabei ihrem Sound so treu geblieben, wie das mit den Veränderungen im Bandgefüge eben noch möglich war: Drummer Jerry Fuchs fand am Boden eines Liftschachts einen tragischen Unfalltod und John Pugh verließ die Band. Dafür verstärkt nun Shannon Funchess die Gruppe mit ihrem drahtigen Gospel.
Einen epochalen Track wie „Me And Giuliani Down By The Schoolyard“ bekommen !!! heuer nicht hin. Kein„Bend Over Beethoven“ und auch kein „Dear Can“ – mit dem sie sich vor den Krautrockern Can und ihren unwiderstehlichen Rhythmen verneigten. Musik aus Deutschland spielt jedoch auf andere Weise eine Rolle. Als die Band kürzlich in Berlin lebte, hatte sie nicht nur einige Songs und Skizzen in der Stadt aufgenommen, sondern auch Minimal Techno in sich aufgesogen. Nun, mit den Strukturen von Minimal Techno hat das Album wenig zu tun, es ist eigentlich dichter, schlammiger, der Sound ist bauchiger; aber aufregende Musik entsteht bekanntermaßen häufig aus Missverständnissen. In Europas No.1 für Partytourismus sind die Songs dunkel, manchmal sogar kalt geworden.
Der vierte Longplayer von !!! gleicht einer Party, die aus dem Gleichgewicht geraten ist, auf der jeder nur mehr mit seinem eigenen High beschäftigt ist, seinen eigenen Problemen. Die politischen Kommentare, das Wir-Gefühl sind dahin. So bei diesem Discopunk-Ding. Am Ende ist das Album nicht die nötige Neuerfindung, sondern eher eine verstrahlte Krisenplatte, auf der Selbstverwirklichung und Konsumtheater unglaubhaft geworden sind. Die Band, die ganze Welt tanzt immer noch wie im Wachkoma; hier hängt die Krise mit vibrierenden Grooves in der Schleife.