Stridulum II

ZJ
Zola Jesus ist der Eishagel, der sich als Streicheln inszeniert. Überhaupt gern inszeniert, aber gewisse Szenen haben das halt so an sich. Die Oper und Gothic sowieso.

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Inmitten einer durchjammerten Winternacht schwebt von fern ein zartes, licht aussehendes Wesen auf dich zu. Du hast schon alle schützenden Mauern niedergerissen und lächelst dümmlich. Und dann siehst du die Schneebälle, die es dir alle, alle unter deinen Jackenkragen stecken wird. Eiskalt. Der Winter des Todes kommt bestimmt. Doch entgegen aller Erwartung ist seine musikalische Zelebration ist nicht seine unausweichliche Heraufbeschwörung, sondern ein Weg, ihm zu entgehen.

Der erste Schneeball ein Rieseln am Rücken, Gänsehaut. Dann zieht sich irgendwo innen drin etwas zusammen, es ist zu kalt, oder? und dann eine Art Erwachen und das ist genau, was es braucht. Das Ende vom wehleidigen Jammern in Winterstarre. Als Zola Jesus unterlegt Nika Roza Danilova ihre eigenen unbewegten, ästhetisch-ätherischen Goth-Queen Attitüden mit durchaus flexiblen, tragenden Soundteppichen. Und wirkt dabei verfroren und unverfroren zugleich. Das Resultat ist ein sphärisch dichtes, stimmgewaltiges Gewebe aus Pathos, Prägnanz und Extravaganz, das doch auch immer wieder Risse zeigt. Die paradoxe, entschlossene Fragilität, mit der jene Risse dann umwoben werden, erinnert nicht selten an raumgreifende Intonationen einer aggressiv gewordenen Beth Gibbons. Die es so noch nicht gab.

Räumlich, physisch, emotional expandierende Musik dürfte für Nika Roza Danilova selbstverständlich sein. Was auf Pop-geübte Hörer befremdlich intensiv wirken muss, ist für eine Opernstimme nur natürlich. Und Nika Roza hat mit zehn schon ihre Opern-Schulung begonnen. Seither war viel. Noise-, New Wave- und Industrial-Experimente. Bis zu „Stridulum II“. Im Vergleich mit den letzten Alben, die noch ein bisschen wie Schneeregen daherkamen und im klammen Matsch verzerrter Gitarren ausrutschten, gleicht „Stridulum II“ schon mehr der eisig klaren Winternacht. Ist bestimmter und durchsetzender. Und von einer gewaltig nuancenreichen Stimme, die inmitten ihrer düsternen Eindringlichkeit plötzlich optimistisch klingen kann.

Und so wird – mit nur einem Hauch Euphorie – die düstere Vorahnung zur aussichtsvollen Verheißung. Gar nicht so sehr Untergang. Fast schon Aufbruch. Ein Aufbrechen von Harmonien und Klischees, die es eigentlich schon gar nicht mehr gibt. Das vor allem. Und mehr Forderung nach Kunst als rein musikalische Intention. Das auch.

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