The Hurt Locker

Feinarbeit an Sprengköpfen

Action-Architektin Kathryn Bigelow jagt ein Team von US-Bombenentschärfern durch den Irak: Ein schlauer Kommentar zu Soldatenhandwerk und Besatzungsalltag, ausformuliert in Bewegungsabläufen statt Sprechdurchfällen.

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„War is a drug“, lautet ein Zitat des US-Journalisten Chris Hedges, das „The Hurt Locker“ eröffnet. Vor allem aber ist der Krieg hier ein Handwerk, das man besser souverän beherrscht. Für die Mitglieder des Entschärfungskommandos von Camp Bravo bedeutet jeder falsche Handgriff, jede zeitliche Fehlkalkulation den sicheren Tod, den das erste von zahlreichen Action-Bravourstücken gleich eindringlich vorführt: Wie ein Astronaut auf Marsmission stapft ein Soldat im Schutzanzug durch eine evakuierte Stadtlandschaft auf einen Sprengkopf zu. Gegen die Wucht der folgenden Detonation, eingefangen in SloMo-Detailaufnahmen bebender, schwirrender Steinchen, wird die Schutzhülle nichts nützen.

In „The Hurt Locker“, geschrieben vom Journalisten Mark Boal, ist die überlebensgroße Genrefilm-Syntax eine Frage des Realismus: Wen Einsatz für Einsatz nur Sekunden vom Tod trennen, dessen Arbeitsalltag ist in den Formen ostentativ großen Actionkinos ganz gut aufgehoben. Nicht umsonst bezeichnet Bigelow, Regisseurin so famoser kinetischer Schaustücke wie „Gefährliche Brandung“ oder „Blue Steel“, ihren wuchtigen Inszenierungsstil zwischen Zeitlupe und Kameraraserei gern nüchtern als „experiental“ – erfahrungsbezogen. Neigte sie in ihrem Cyberpunk-Mindfuck „Strange Days“ Mitte der 90er noch stark zum Barock, so fügt sich in „The Hurt Locker“ jede Einstellung in eine effiziente, oft atemberaubende Balance zwischen dramatischem Drive, haptischen Details und – ja, das gibt es, Herr Bay! – räumlicher Übersichtlichkeit.

Dramaturgisch ist „The Hurt Locker“ eher einem journalistischen Ethos verpflichtet als üblicher Drei-Akt-Struktur: Der Film verfolgt, als wäre er embedded, eine Kette von mal mehr, mal weniger erfolgreichen Einsätzen eines dreiköpfigen Entschärferteams. Man zerlegt Bomben, dann trinkt man abends gemeinsam, spielt Ego-Shooter und prügelt aufeinander ein, bis der erste das Messer zückt. Bigelow und Boal verzeichnen auch diese Männerrituale ohne besserwisserische Distanz, reduzieren Männerfiguren wie den unberechenbaren Staff-Sergeant James (vielschichtig in einem Rampensau-Part: Jeremy Renner) nicht aufs Hysterisch-Psychotische. Genauso wenig versuchen sie die Distanz und weitgehende Feindseligkeit zwischen US-Soldaten und Zivilbevölkerung durch humanistische Beruhigungsmanöver zu relativieren: „The Hurt Locker“ kritisiert nicht die Soldaten, sondern eine ausweglose Besatzungssituation, in der jeder Iraker als potenzieller Feind gelten muss.

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