Innerer Frieden zum Downloaden
Mit ihrem schlafwandlerischen Trott durch weitläufige Elektronik-Ebenen erfinden sich Radiohead nicht neu. Reinhören lohnt sich aber allemal.
Radiohead verstehen es, neue Vertriebswege zu beschreiten. So durften die Fans 2007 selbst entscheiden, wie viel ihnen »In Rainbows« wert war. Das ist bei »The King Of Limbs« zwar nicht mehr der Fall, eine Release-Extrawurst brauchte es trotzdem: Vier Tage vor der Veröffentlichung erfuhr der geneigte Fan erst, dass das mittlerweile achte Studioalbum überhaupt existiert. Aufmerksamkeit wurde der Band aus Oxford dadurch auf jeden Fall zuteil: Facebook und Twitter liefen heiß, die Radiohead-Website wurde lahmgelegt. Auf YouTube machte zur gleichen Zeit das Video zu »Lotus Flower« die Runde und wurde innerhalb von vier Tagen zwei Millionen Mal geklickt.
So revolutionär anders wie die Art und Weise seines Erscheinens ist »The King Of Limbs« bei Weitem nicht, vielmehr wandeln Tom Yorke und seine Mitstreiter auf ausgetretenen Pfaden und bleiben dem Sound treu, auf den sie sich auf den letzten Alben eingependelt haben: Die Platte ist durchzogen von abstrakten Lyrics, Echos und abgehobener Electronica. Eröffnet wird sie mit Piano-Loops und flirrend-kalten Elektronik-Parts, die nach und nach von Streichern und Trommlern orchestral untermalt werden. Stücke wie »Morning Mr. Magpie« erinnern an die experimentelle »Kid A«-Phase der Band, eine Klavierballade in der Tradition melancholischer Klassiker wie »No Surprises« darf natürlich auch nicht fehlen: Das schlichte »Codex« mit seinen sanften Pianoparts fällt genau in dieses Schema. Bei all dem ist eine sphärische, geisterhafte Grundstimmung omnipräsent – und eine gewisse Reife: Ein Thom Yorke, der gelassen über den Dingen steht, taumelt durch die kristallinen Klangwelten, altbekannte Konstante ist seine ätherische Falsettstimme. Vielleicht erinnert die Platte deshalb mehr an »The Eraser«, das Solowerk des Sängers, als an die früheren Alben der Band.
Im Netz ist derweil noch keine Ruhe eingekehrt: »Separator«, die letzte Nummer, und die Zeile »If you think this is over / then you’re wrong« lassen Fans munkeln, dass das wahrscheinlich kürzeste Radioalbum doch nicht auf acht Songs beschränkt sein könnte, sondern nur noch auf Part II warte. Geredet wird viel. Es bleibt nur zu hoffen, dass von »The King Of Limbs« mehr bleibt als die Erinnerung daran, welchen Web 2.0-Hype es auslöste.