Tokyo Decadence

Sowohl das Cover (Frau in schwarzer Reizwäsche, einladender Pose und edlem Kunstlicht) als auch der Schlafzimmerfunk (Marke: 70er-Erotikstreifen) über dem Vorspann führen in die Irre: „Tokyo Decadence“ (1992, im Original: „Topâzu“) ist keine verschwitzte sleaze-Kuriosität, sondern ein nüchtern existenzieller Traktat über lädierte Körper und Seelen in Zeiten des Tauschwerts: Anhand der Verrichtungen der S/M-Dienstleisterin Ai […]

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Sowohl das Cover (Frau in schwarzer Reizwäsche, einladender Pose und edlem Kunstlicht) als auch der Schlafzimmerfunk (Marke: 70er-Erotikstreifen) über dem Vorspann führen in die Irre: „Tokyo Decadence“ (1992, im Original: „Topâzu“) ist keine verschwitzte sleaze-Kuriosität, sondern ein nüchtern existenzieller Traktat über lädierte Körper und Seelen in Zeiten des Tauschwerts: Anhand der Verrichtungen der S/M-Dienstleisterin Ai berichtet Murakami Ryû, daheim in Japan vor allem als Schriftsteller prominent, von Nippon als einer Nation „mit Reichtum, aber ohne Würde“ (wie einer von Ais betuchten Kunden einmal hübsch handlich zusammenfasst). Nur leider bleibt diese Form der sexuellen Gesellschaftsanalyse zumindest in der vorliegenden 113-Minuten-Fassung (Originaldauer: 135 Minuten) öde simpel gestrickt: Die ennuierten Lebemänner, perversen Buberln, sadistischen Yakuzas und bösen Polizisten, auf welche die passive, liebeskranke Ai trifft, sind nicht nuancierter als das Personal eines durchschnittlichen „Emmanuelle“-Films – meist eher langweiliger. Und die lang ausgehaltenen, starr aufgenommenen, meist sehr dezent kadrierten Szenen von Würgespiel oder Dildodemütigung fangen weder Ritual noch Rollenspiel der Akte besonders zwingend ein. DVD-Extras gibt es bis auf ein Kapitelmenü keine.

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