Das frisch geschlüpfte Label Totally Wired scheißt auf Hochglanz und will dies mit ihrem ersten Labelsampler beweisen. Aber: Bedeutet Lo-Fi Narrenfreiheit?
Wir befinden uns in Wohnzimmern und Garagen. Jemand mit dünner Stimme schreit mit halb ersticktem Atem in ein mit Klebeband befestigtes Mikrofon. Das ein wenig eingestaubte, minimalistisch gehaltene Schlagzeug steht – falls der Beat nicht aus der Dose kommt – in der anderen Ecke. Jemand entlockt der alten Casio Orgel quietschende Sounds und die Saiten der halbverstimmten Gitarre scheppern fröhlich vor sich hin. Schlag nach unter: Die Romantik des DIY.
Nein, eigentlich hat das nichts mit Romantik zu tun. Auf dem ersten Sampler des jungen Wiener Labels Totally Wired ist kein Platz für Liebeserklärungen. Die Lieder sind in gleichgültige, oder verärgertem Ton gehalten. So wird Kontrast zu den auf Hochglanz polierten Indie-Rock und Mainstream Produktionen geschaffen. Lo-Fi beherrscht diese Liedersammlung.
Die Do-It-Yourself Devise lautet: „Das kann ich auch“ und genau so hört sich das an. Gleich der erste Track von Kate Kristal wirkt, als wäre er von Leuten gespielt, die zum zweiten Mal ihr Instrument in der Hand halten. Es folgen Punk Songs, die in den besten Momenten an The Fall erinnern, aber dann doch etwas zu schlampig eingespielt sind, um dem Vergleich standzuhalten. An Ohrwürmern mangelt es allerdings nicht. „Magic“ von Dot Dash wartet beispielsweise mit dieser repetitiven, fast bluesigen Hookline auf, die einem partout nicht aus dem Kopf gehen will. „There is magic, but really, there is no magic“ singen sie. Treffender könnte man diesen Sampler nicht beschreiben.
Denn ihr Kapital schlagen die Songs aus ihrem Charme. Der selbstgebastelte Sound erinnert an Kassettenrekorderaufnahmen aus der eigenen Kindheit. Eine nostalgische Romantik macht sich breit. Letztlich wirkt diese „Scheiß drauf“-Attitüde, zwar ungekünstelt, aber etwas gewöhnungsbedürftig. Wer DIY mag, schaut lieber nach Kalifornien Richtung No Age. Wer Lo-Fi mag kann mit Bee Thousand von Guided By Voices anfangen. Lassen wir dem jungen Label noch etwas Zeit.