Alle, die den Opa nicht mehr persönlich über den Krieg ausfragen können, können hier auf Bildungsreise fahren und lesen wie weit der Wodka aus Chruschtschow sprach und welche amerikanischen Ereignisse das Lied „We shall overcome“ verbindet.
Meinen Blick auf Russland, China und die USA hat Gerd Ruge als Reporter nicht mehr so geprägt. Dafür bin ich zu jung. Seit über 60 Jahren ist Gerd Ruge als Berichterstatter unterwegs in der Weltgeschichte. Vor kurzem hat er seinen 85er gefeiert und seine politischen Erinnerungen gesammelt aufgeschrieben. Jahrzehntelang war er – so wird es mir überliefert – einer der profiliertesten Journalisten im deutschen Fernsehen, ein Gesicht, das man kannte, ebenso wie sein charakteristisches Nuscheln beim Sprechen.
Er plaudert nicht aus dem Nähkästchen, sondern beschreibt sachlich aus dem Korrespondentenleben. Allzu spannend ist das erzähltechnisch nicht, aber eine Bildungsreise durch die wichtigsten Großmächte zur Zeit des Kalten Krieges ohne zu belehrend zu wirken.
Gerd Ruge hatte ein Gespür für politische Entwicklungen. Sein Buch ist besprenkelt mit der Neugierde, die guten Journalismus möglich macht, mit den Zufällen, die es braucht und mit dem gesponnenen Netzwerk an Bekanntschaften. Es brachte oft keine tiefschürfenden Analysen mit sich, aber dafür erste Augenzeugenberichte aus einer Zeit, die wir zu Recht oder Unrecht noch immer als Nachkriegszeit empfinden. Man liest dann vom verbissenen Streit zwischen Adenauer und Chruschtschow, über die Hintergründe eines russischen Literaturpreisträgers Paternak, aus dessen Feder Doktor Schiwago stammt und von der Ermordung Kennedys. Die Gegensätze zwischen Ost und West explosiv wie sonst nie.
Hier begann für Ruge auch eine intensive Auseinandersetzung mit der Frage der politischen Gefangenen, der Menschenrechte und der Meinungsfreiheit. Er war nicht zuletzt deshalb Gründungsmitglied von Amnesty International, deren Anfänge auch geschildert werden. Er wirkt wie einer der Übermutigen, der immer dort hin wollte, wo es gerade brenzlig wurde und es scheint als seien dabei Übermut und Mut, Gehorsam und Ungehorsam bedacht angeordnet worden. Das ergibt eine Mischung aus weltpolitischen Schachzügen, subjektiven Eindrücken und Alltagsbegegnungen.