Als würden Daughter Postrock machen. Oder Paramore den Existenzialismus entdecken.
Drückende Langeweile, Jugendliche und Spielplätze, halb verbaute Möglichkeiten, Fahrräder und graue Wolken, blonde Haare im Wind, beschissene nordenglische Wohnblöcke und jung in die Zukunft gespannt inmitten der Gstettn – das Video zu „Another Tale From Another English Town“ macht ganz viel richtig. Da werden Geschichten von einzelnen Menschen in ein großes, gesellschaftliches Ganzes gebettet, ohne gleich in Sozialrealismus zu ersticken, stattdessen macht das Video zwei Schritte auf eine poetische Auflösung zu.
Auf der Soundebene werden solche alltäglichen Geschichten zu epischen Dramen hochstilisiert, folkige Instrumente verzahnen sich mit dicht geschichteten, verzerrten Gitarren und verhallten Pianos zu einer mythischen Parallelwelt, die auf seltsame Art mit der postindustriellen, giftigen, englischen Gegenwart verbunden ist. Kein Wunder, dass dieses Sextett aus Newcastle Upon Tyne bereits mit Explosions In The Sky und Low getourt hat, zwei ausgewiesenen Experten, wenn es darum geht dem öden Alltag gehörig Pathos einzuflößen – man denke etwa an die kolossalen Melodien, mit denen Explosions In The Sky die kleinen Dramen um ein texanisches Footballteam in „Friday Night Lights“ zu allgemein gültigen Geschichten wie aus einer griechischen Tragödie hochtrieben.
Lanterns On The Lake verstehen sich ebenfalls auf diese Kunstform, auf fantastischen Realismus, der mit viel Melancholie unterfüttert ist. Insofern ist „Until The Colours Run“ kein Album, das gerade heute zwingend ist, weil es sich an Geschichten mit relativ zeitlosen Mitteln abarbeitet, sondern wohl eines, das man in vielen Jahren als ein unentdecktes Juwel bezeichnen wird können.