Vanishing Point

Der Mudhoney Gitarrensound klingt immer noch nach Seattle, 1989 und Sup Pop weit vor dem Durchbruch Nirvanas: Perfektionspessimistisch und klug genug, Grunge der nächsten Generation nicht als Faszinosum zu verkaufen.

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Als Nevermind vor zwei Jahren genau 20 Jahre alt wurde, war das eine ganz große Sache: Von der Deluxe Edition bis zur überarbeiteten Version der Pop-Doku "1991: the year that punk broke", über endlose Streitgespräche von der Sprengung des amerikanischen Underground und dem Anfang vom Ende der klassischen Rock-Musik. Ein erneut in Takt gesetzter Popdiskurs, den Kurt Cobain wahrscheinlich gehasst hätte. Heuer feiert die Brutstätte der Seattle-Bewegung sein 25-jähriges Bestehen und mit ihnen sein ältestes und einflussreichstes Flaggschiff: Happy Birthday Sup Pop, alles Gute Mudhoney!

Label und Musiker feiern sich ohne viel Tamtam: Mudhoney veröffentlichen nach einer fünfjährigen Pause ihr zwölftes Studioalbum "Vanishing Point", Sup Pop die inzwischen dritte Compilation mit dem klingenden Namen "Sup Pop 1000" – Keine Anspielungen auf Sup Pop 200, die legendäre EP von 1988, die als Meilenstein der früheren Seattle Szenerie gilt und keine remasterte "Touch me I´m sick" Single von Seiten Mudhoneys. Es scheint als dürfte der Grunge der frühen 90er Jahre endlich ruhen und fern von musikhistorischen Schubladendenken weiter existieren.

Das Erbe, Grunge macht es immer noch

Und das tut er: Bandformationen wie Pearl Jam, Soundgarden, Screaming Trees, Sonic Youth und Mudhoney, die es geschafft haben ihr Erbe über die vom Rave und Indie-Rock dominierte Jahrtausendwende zu schleppen, produzieren weiterhin bemerkenswerte Alben. Kürzlich erschien beispielsweise das Soundgarden Album "King Animal" oder "I Bet on Sky" von Dinosaur Jr.

Mark Arm, Steve Turner und Dan Peters von Mudhoney haben sich nicht neu gegründet sondern ihre Diskografie in regelmäßigen Abständen fortgesetzt und das nur mit minimalen Veränderungen im Line-up: Den Bass zupft seit 2011 nicht mehr Ex-Melvin Frontman Matt Lukin sondern Guy Maddison und Mark Arm hat sich von der Gitarre verabschiedet. Auch auf den Wechsel zum Major Reprise Records in den frühern 90er Jahren folgt die Rückkehr zu Sup Pop, das ab 2002 weitere vier Longplayer der Band veröffentlicht. Alles bleibt beim Alten, alles bleibt retro.

Abseits von Retromania

Und trotzdem bewegt sich der rüde Gitarrenrock, das scheppernde Schlagzeug und die grölende Vokalakrobatik von Mudhoney abseits von Retromanie und Mainstream. Das ist sonderbar, da doch gerade jetzt so viel Potenzial aus vergangenen Popzeiten geschöpft wird. Der Vorteil daran ist, dass "Vanishing Point" dadurch komplett autonom und zeitlos zwischen Grunge Attitüde der 90er und schnell gespieltem Indie-Rock des 21. Jahrhunderts pendelt, ohne einen der beiden Genres Rechenschaft schulden zu müssen.

Mudhoney vereinen noch immer den Gitarrenrock der Stooges mit rüder Iggy Pop-Punk-Attitüde und den melodiösen Schliff, den diverse Songs auf "Nevermind" zu bieten hatten. Besonders gelungen klingt Letzteres in den Downtempo-Passagen des Albums, wie etwa im Intro zu "Sing this song of Joy", das stark an die ruhigeren Momente des letzten Pearl Jam Albums "Backspacer" erinnert.

Was Mudhoney seit Jahren am Besten können, wird auf dieser Platte kurz und bündig und ohne viel Spielerei durchgezogen. Am Ende hört sich "Vanishing Point" wie eine digital besser überarbeitete Studioversion von "Superfuzz Bigmuff" beziehungsweise ein sehr nah am Noise und Punk gebauter Alternative-Rock.

Mudhoney waren die Ur-Väter einer Szene dessen populärster Act sie nie waren, dessen Sound sie aber entscheidend geprägt haben. Dass derartige Musik noch 25 Jahre später weiter besteht zeigt, dass alternativer Rock and Roll immer funktionieren wird. Es zeigt aber auch, dass wahre Grunge Musik nicht für das massentaugliche Radio geschrieben wird ohne seine Identität und seinen Perfektionspessimismus zu verlieren. Vielleicht ist das der Grund warum die Welt nie ganz bereit für Grunge sein wird und es wahrscheinlich auch nie war.

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