This Land Is Your Land – Des Boss’ neues Evangelium, weltlicher Gospel, The United States Of America, die Abrissbirne der einfachen Leute und der Glaube an die Selbsterneuerung.
Wo andere in Untergangsgejohle ausbrechen oder mit Nostalgia einsalben, mit noch mehr Rave und Pillen antworten, erzählt Springsteen von der alltäglichen Plackerei. Er ist optimistisch, meistens. Wo ist das Versprechen, von Ozean zu Ozean, wo ist der Traum? Die Antwort, seine Antwort: Wo immer diese Flagge weht, wir kümmern uns um uns selbst. Obama hat den trotzigen Song „We Take Care Of Our Own“ bereits für seine Kampagne zur Wiederwahl 2012 gekürt. Seltsam genug, streift der Song doch Katrina an, aber auch all die guten Vorsätze und enttäuschte Hoffnungen. Aber so war Springsteen schon oft, Wunden lecken in den Strophen, Patriotismus und Hymnen in den Refrains. Immer wieder verdüstert sich auf „Wrecking Ball“ die Stimmung, es sind harte Zeiten, ganz so wie es ein anderer knöchriger Verteidiger kleiner Leute, Clint Eastwood, es kürzlich in einem viel beachteten Chrysler-Spot in der Halbzeit des Super-Bowls sagte, wenn wir niedergeschlagen werden, stehen wir wieder auf und die Welt hört unsre Motoren brüllen. Ironie hat da ausgedient, hatte sie bei den Verteidigern des amerikanischen Traums schon immer.
Springsteens Antwort ist ähnlich, teilweise ungewöhnlich radikal: die Abrissbirne, der Wrecking Ball, soll Schluss mit den Fehlentwicklungen der letzten 30 Jahre machen. Großes Tra Ra, Gospel-Chöre, Fanfaren, Arcade Fire Freakout – Come On! Konkreter sind Springsteens Antworten nicht, was danach kommt, dafür macht er keine Vorschläge – muss er nicht, denn wo sonst soll er seiner Verantwortung als Songwriter nachkommen außer bei unsren Ideen, beim Soundtrack einer besseren Welt nach dem Sturm, beim Neuanfang. Immer wieder greift er dafür weit auf Folk und Gospel zurück. Der Liedermacher als authentischer Ausdruck sozialer Gefühle wird von Springsteen wiederbelebt, der Typus Woody Guthrie, der den Entrechteten, die seine Videos bevölkern, eine Stimme gibt, jemand, der komplizierte Zusammenhänge zu simplen Slogans mit ehrlichen, ehrlichen Gitarren verdichtet, dass es an Sozial-Drama-Kitsch grenzt. „Rocky Ground“ oder „We Are Alive“ sind großspurige, selbstgerechte Meterware. Das ändert nichts daran, dass der Boss ansonsten eine mächtige Abrissbirne schwingt.