Eine Tarotlegung, eine Performance, eine Inszenierung und ein Konzert: Was wie das Programm für einen ganzen Tag klingt, findet man gebündelt in der Produktion »Run Wild in It«, welche am 21. und 22. Juni im Kosmos Theater zu sehen war.
Aufführungen, die beginnen, bevor man überhaupt im Saal einen Platz gefunden hat, nehmen einen besonderen Platz in meinem Herzen ein. So ist es auch bei »Run Wild in It«, bei dem man bereits im Warteraum von einer Vorankündigung in Form von Nebel begrüßt wird. Sobald der Saal seine Türen öffnet, hört man daraus eine Band »Abracadabra« spielen. Ungleich der Steve Miller Band hat diese Version jedoch etwas Absurdes an sich: Die Tonlage tiefer, die Stimme schleppender, die Musiker*innen eingehüllt in Tüll, jede*r in einer anderen Farbe. Langsam, nachdem die letzten Zuschauer*innen ihren Platz gefunden haben, geht das kreativ-abwechslungsreiche Programm los.
Tarotfiguren und Wienerlieder
Es wird geschrien, gelacht, gebadet, geplantscht und – das spielt eine zentrale Rolle – gesungen. Die fünf Musiker*innen spielen, wenn auch in sehr abstrakter Form, verschiedene Tarotfiguren und beweisen im Laufe des Wochenendes, dass sie sich auch auf der Theaterbühne hervorragend behaupten können. Diese Tarotfiguren und -karten dienen mehr als roter Faden, anstatt eine Rahmenerzählung zu bilden. Zu Beginn bekommen die Menschen im Publikum sowie die auf der Bühne die Möglichkeit, eine Karte aus einem Tarotdeck zu ziehen. Von Turm bis Wheel of Fortune sammelt eine Akteurin die gezogenen Schicksale ein. Anfangs verwirrt wird einem schnell klar, dass die Karten, die nun nach und nach über das ganze Stück hinweg aufgezeigt werden, verschiedene Performances, Songs, Monologe oder Requisiten einleiten. So regnet es einmal von der Decke auf die Bühne, bevor ein charmant ruhiges Wienerlied einen zwei Meter großen Finger über der Bühne besingt.
Sinnbefreit Erfreut
Durch das Stück hindurch begleitet uns Dolores Winkler, die – meinen Recherchen nach – die einzige berufliche Schauspielerin des Ensembles ist. Winkler hat eine immense Bühnenpräsenz und zieht das Publikum von der ersten Sekunde an mit in die Geschichte. Konsequenterweise hat sie auch den meisten Text und weiß diesen gekonnt wiederzugeben. Was umso schwieriger anmutet, weil man an dieser Stelle anmerken muss, dass die durchaus stimmungsvollen Texte, allem Anschein nach absolut keinen Sinn ergeben. Vielleicht liegt es daran, dass man von der Fülle an verschiedenen Szenen überwältigt ist, aber selbst beim genauen Hinhören erschließt sich die Bedeutung dessen was gesagt wird nicht. Jede Performance und jedes Element der Inszenierung sind jedoch so wissentlich und bedacht platziert und einstudiert, dass auch dies wohl so gewollt war. Und schlussendlich ergibt sich so eine absurd-unterhaltsame Produktion, bei der es gar keinen sinnhaften Text braucht.
Das Highlight des Abends bilden die musikalischen Einlagen, die so unterschiedlich wie die Figuren selbst sind. Von Rock über Indie bis zu österreichischem Folk ist eine bunte Mischung vertreten. Vorneweg Paul Plut, der schon anfangs mit seiner Interpretation von »Abracadabra« begeistern konnte und sowohl mit seinem Auftreten als auch mit seinen Liedern Lust auf mehr macht. Da der Ablauf der Inszenierung vom Ziehen der Karten abhängig gemacht wird, war eine Chance diese Lust auf mehr auch zu befriedigen sicherlich vorhanden.
Obwohl manche Szenen nonsensical und die Texte voll von Worten, aber leer an Bedeutung sind, sollte man »Run Wild in It« keinesfalls verpassen und sich dabei auf einen kleinen Kopf- und Seelenausflug einlassen.
Für alle, die »Rund Wild in It« im Kosmos Theater verpasst haben, besteht die Möglichkeit, eine Variante dieser wunderbar witzigen, absurden und schönen Produktion noch im Rahmen der Inszenierung »X-Erinnerungen / Route Süden« am 28., 29. und 30. Juni bei der Tangente St. Pölten zu erleben.