Die Winterdepression ist vorbei, die multiple Krise nicht. Rosa Anschütz unterstützt uns mit ihrem neuen Album wieder mit dem Soundtrack zum allumfänglichen Zerbröseln. Diesmal mit klarem Blick nach vorne.
Als Rosa Anschütz im November 2020 ihr Debütalbum »Votive« vorlegte, traf sie damit in das riesige schwarze Loch, das die damals noch als überwunden vermutete Pandemie in der Seele der Gesellschaft öffnete – um es in den folgenden Monaten noch weiter auszudehnen. Seither war es noch schwieriger abzuschätzen, wohin sich die diversen Künstler*innen von Wiens Underground-leaning Szene musikalisch bewegen. Es gab die, die aufhörten, die, deren Musik überraschenderweise einiges an Fröhlichkeit und Unbeschwertheit gewann, und quasi alles, was dazwischen liegt. Im Fall von Rosa Anschütz und ihrem neuen Album »Goldener Strom« verhält es sich zwar so, dass die Grundstimmung eine ist, die auch auf »Votive« verstanden wurde, aber die zweite Platte ist nun doch von einem zuversichtlichen Aufbruch geprägt, dessen Blick nur eine Richtung kennt: nach vorne.
Ein Album ohne Rückspiegel
Die neun Songs hat die Wahlwienerin Rosa Anschütz – wie schon auf dem vorherigen Album – gemeinsam mit dem Berliner Produzenten Jan Wagner aufgenommen. Beiden war laut Begleittext wichtig, dass alles, was sie aufnehmen, möglichst schnell einen Abschluss findet: »Wenn es irgendwo hakte, wurde der Track liegen gelassen und verworfen.« So kommt es, dass »Goldener Strom« ab dem ersten Schlag losmarschiert. Der Opener »Their Blood« ist wie »Sold Out« schon als Single draußen, die anderen Tracks schlagen in dieselbe Kerbe – deutlich mehr Beat, Rhythmik stärker im Fokus als beim Erstlingswerk. Trotzdem bleibt noch genügend Platz für Synth-Pads galore und den Anschütz-typischen Notizbuch-Vibe. Bloß, dass das Album eben mit einer harten Kickdrum beginnt und aufhört. Als einziges Stück, das die deutsche Sprache utilisiert, sitzt übrigens der Titeltrack in der Mitte des Albums. Mit digitalem Knistern, noisy Synths und wieder: treibendem Beat.
Wer »Votive« in seinen Jahres-Top-Listen 2020 hatte, wie der Autor, braucht mit »Goldener Strom« eine gewisse Zeit zum Warmwerden. Wem aus Rosa Anschütz’ Katalog allerdings noch immer der Kobosil-Remix von »Rigid« im Hinterkopf pulsiert, kann dieses Album vorsorglich schon mal irgendwo notieren.
Das Album »Goldener Strom« von Rosa Anschütz erscheint am 27. Mai 2022 bei BPitch Control.