Safe ist sexy – PrEPen, aber richtig

Eine kleine blaue Pille, die ohne die Verwendung von Kondomen vor einer Infektion mit HIV schützt. PrEP macht das möglich und gilt als relativ sicher, ist aber nicht unumstritten. Ihre Wirksamkeit wurde zwar durch Studien bereits mehrfach belegt, vor allem in Österreich gibt es allerdings noch einige Hürden bei der Pillenvorsorge.

© Daniel Rajcsanyi

Wird heutzutage über den Schutz vor HIV-Infektionen und Safer Sex gesprochen, kommt man am Kondom nur selten vorbei. Es gibt allerdings auch andere Möglichkeiten, sich beim Sex vor einer Infektion zu schützen. Eine Variante, die schon ein paar Jahre zugelassen und in Gebrauch ist, ist die sogenannte Prä-Expositions-Prophylaxe (kurz: PrEP), also eine medikamentöse Vorbeugung, die die behandelte Person vor einer Infektion schützt, bevor sie in Kontakt mit einer HIV-positiven Person kommt oder Risikokontakte hat.

Mit der Einführung der PrEP wurde auch ein wichtiger Schritt gegen die Diskriminierung und gesellschaftliche Ausgrenzung HIV-positiver Menschen getan. Nach Jahrzehnten der Angst sind wir auf dem Weg, die Pandemie soweit in den Griff zu bekommen, dass das UN-Ziel, HIV bis
2030 weltweit auszurotten, möglicherweise erreichbar sein könnte. Die Prä-Expositions-Prophylaxe trägt dazu einen wichtigen Teil bei, ist aber noch relativ unbekannt.

Hauptsächlich aber bietet PrEP eine Möglichkeit für Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, keine Kondome verwenden wollen oder können, beinahe risikolosen Geschlechtsverkehr zu haben – zumindest in Bezug auf HIV. Denn queere Menschen, allen voran Männer, die Sex mit Männern haben, sind generell einer erhöhten Gefahr einer Infektion mit HIV ausgesetzt. Vor allem die passive, also empfangende Person, kann sich über Schleimhäute, etwa in der Vagina oder dem After, relativ schnell infizieren.

Der 28-jährige Wiener Künstler Daniel Rajcsanyi verwendet PrEP seit ungefähr zwei Jahren und hat damit bei Risikokontakten die Angst vor einer HIV-Infektion verloren. Er spricht von einem gelockerten Umgang mit Körperflüssigkeiten und Sex im Allgemeinen – sexuelle Freiheit ohne Stigma für queere Menschen in Österreich.

Relativ hochschwellig

Seit 2016 ist die PrEP-Pille in der gesamten Europäischen Union zugelassen. Tenofovirdisproxil heißt der Wirkstoff, der ursprünglich erst nach einer erfolgten Infektion mit dem HI-Virus zur Behandlung eingesetzt und schlussendlich unter dem Handelsnamen Truvada auch zur Vorbeugung verwendet wurde.

Zu Beginn war PrEP allerdings – vor allem finanziell – relativ hochschwellig: Das Originalpräparat kostete rund 1.000 Euro monatlich und war somit quasi unleistbar. Mitte 2017 kamen erste zugelassene Medikamentenimitate, sogenannte Generika, auf den Markt. Diese beinhalten dieselben Wirkstoffe wie das Originalmedikament, können aber wegen der wegfallenden Entwicklungskosten deutlich günstiger angeboten werden. Seit 1. Jänner 2018 bietet die Marien-Apotheke in Mariahilf ein Generikapräparat für 59 Euro an. In Wien gibt es die günstigeren Pillen ansonsten nur in der Salvator-Apotheke. Flächendeckend geht anders. In Deutschland beispielsweise ist die PrEP seit September 2019 eine Kassenleistung. Untersuchung, Rezept und Medikament sind daher weitgehend kostenfrei und rechtlich zugesichert. Da PrEP, wie der Name schon sagt, eine präventive Maßnahme ist, muss sie hierzulande noch selbst bezahlt werden. Auf ein Jahr gerechnet macht das bei regelmäßiger Anwendung, wie Daniel Rajcsanyi sie betreibt, 720 Euro.

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Die Pillen können dauerhaft täglich eingenommen werden – dann bieten sie den besten Schutz. Zwischen Sexualkontakten kann das Medikament auch problemlos abgesetzt werden. Um Geld zu sparen, greift Daniel während der aktuellen Coronakrise auf diese Option zurück: »Ich habe derzeit keinen Sex, also sehe ich auch keinen Grund, die Tabletten aktuell zu nehmen.« Bei der Alternative, der anlassbezogenen Anwendung, werden dieTabletten nur einige Tage vor und nach dem ungeschützten Verkehr eingenommen. Diese Anwendung ist allerdings nur dann empfehlenswert, wenn man genau weiß, wann man Sex haben wird, und wenn man die Tabletten auch diszipliniert einnimmt. Eine konsequente Einnahme des Medikaments vermindert ein Ansteckungsrisiko um 90 bis 95 % – das macht die PrEP ungefähr so sicher wie Kondome, wie mehrere Studien bestätigen. Egal, wie sie angewendet wird, in beiden Fällen stellen ÄrztInnen in Österreich ein Rezept nur für maximal drei Monate aus – dann wird wieder eine Untersuchung fällig. Dabei wird das Blut auf den HI-Virus getestet, auf weitere STDs wird nur im Verdachtsfall untersucht.

Die PrEP, die täglich eingenommen wird, soll vor allem Menschen mit hohem HIV-Risiko vor einer Ansteckung schützen. Dies betrifft etwa homosexuelle Männer oder auch die PartnerInnen HIV-positiver Menschen, die sich zusätzlich schützen möchten. Unter heterosexuellen Menschen wird die Pille derzeit kaum wahrgenommen – sie findet fast ausschließlich bei Männern, die Sex mit Männern haben, Anwendung. In Österreich wird die Zahl der PrEP-NutzerInnen derzeit auf ungefähr 1.500 Menschen geschätzt. 2019 wurden 430 Neuinfektionen mit dem HI-Virus in Österreich festgestellt – wie in den Vorjahren eine gleichbleibende Tendenz.

Risiko Online-Apotheke

Menschen, die sich bereits mit HIV infiziert haben, dürfen die PrEP nicht einnehmen, weil das zu einer Medikamentenresistenz des Virus führen kann. Deswegen sind unbedingt FachärztInnen aufzusuchen – von Bestellungen über Online-Apotheken ist dringend abzuraten, weil nicht sichergestellt ist, dass die Wirkstoffe tatsächlich enthalten sind.

Mit dem Aufkommen der PrEP wurde auch schnell die Kritik laut, dass Menschen, die keine Kondome verwenden, unachtsamer mit anderen sexuell übertragbaren Krankheiten umgehen würden. Daniel versteht das. Seit seiner PrEP-Vorbeugung hatte er Tripper und Chlamydien: »Aber das Risiko geht man ja bewusst ein und es ist auch halb so schlimm.« Gerade in Europa kommt es kürzlich, unabhängig von der PrEP, zu einem Anstieg von STDs unter queeren Personen. Dies könnte allerdings auch daran liegen, dass genauer hingeschaut wird. Durch die regelmäßigen Untersuchungen bei fachkundigen ÄrztInnen können weitere Krankheiten auch ohne auftretende Symptome schneller erkannt werden. Bei der dreimonatlichen Untersuchung müsse man allerdings explizit danach fragen. Daniel wünscht sich mehr Aufklärung – vor allem auch in heterosexuellen Kreisen. Die Langzeitfolgen der Dauereinnahme sind beispielsweise noch sehr oberflächlich erforscht. Der Künstler selbst hat bisher keine ernsten Nebenwirkungen bemerkt.

Die PrEP ist in Österreich rezeptpflichtig und nur bestimmte Behandlungszentren und Praxen dürfen ein solches ausstellen. Lebt man in Niederösterreich sucht man beides vergebens und muss nach Wien fahren. Die Praxis Schalk & Pichler am Alsergrund setzt sich seit der Einführung des Medikaments da- für ein, dass mehr Praxen und ÄrztInnen auf die Behandlung aufmerksam werden und das Medikament verschreiben.

In puncto Gesellschaftsfähigkeit von PrEP gibt es also noch einiges zu tun. Daniel fasst zusammen: »Ich verstehe es irgendwo, dass ÄrztInnen nicht alles tausendmal wiederholen wollen – vor allem in der heutigen Zeit, in der alles mit einem Klick selbst recherchiert werden kann.«

Weiterführende und detailliertere Informationen erhaltet ihr bei der Aids Hilfe Wien sowie in der Gruppenpraxis Schalk & Pichler.

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