Wenn dir keiner hilft, hilf dir selbst. Edelbrand Records, eine Initiative für gegenseitigen Austausch unter Musikinteressierten, bemüht sich seit Jahren zumeist kleine und unbekannte Bands jenseits der Wahrnehmungsgrenze etablierter Medien zu unterstützen. Jetzt feiert der Verein seinen fünften Geburtstag.
2005 schließt sich eine Gruppe von Menschen zusammen – einige von ihnen stecken gerade in der Ausbildung zu Tontechnikerinnen und Tontechnikern, andere machen Musik – um eine Plattform namens Edelbrand-Records für Musiker, Techniker, Bands und andere potenzielle Interessent ohne Einschränkungen hinsichtlich Stil, Namen oder Erfahrung zu gründen. „Der einzig wirklich wichtige gemeinsame Faktor sollte die Leidenschaft zur Musik sein“, so Gründungsmitglied Moni. Erklärtes Ziel ist es, „einen alternativen Weg punkto Konzert- und Vertriebsmöglichkeiten für die Underground Szene zu schaffen“. Einen, bei dem kommerzielle oder kämpferisch ausgedrückt „kapitalistische Werte“ keine Rolle spielen.
Die Gruppe will beweisen, dass Zusammenarbeit unabhängig von Geld funktionieren kann und dass durch das Zusammenwirken mehrerer auf freiwilliger Basis „Großes“ geschaffen werden kann. Möglicherweise ist es beim Gründungstreffen feucht-fröhlich zugegangen, geben sich die Enthusiasmierten doch den Namen „Edelbrand-Records“. Das bezieht sich nicht nur auf den Schnaps, sondern auch auf gute Musik, so Moni, eine gut gemachte CD zum Beispiel. Ein frühes Problem, das sich bis heute hält, ist der Ansatz, dass sich alle Mitglieder in das Netzwerk einbringen sollen. „Das hat aber leider nicht so ganz funktioniert. Die Arbeit ist meistens an einzelnen Personen hängen geblieben“.
„Wir hatten überhaupt keine Erfahrung“
Ohne Vorerfahrung und völlig planlos stürzt man sich ins Geschehen. Learning by doing ist das Gebot der Stunde, Leidenschaft der Antrieb. Weil das Ganze auch einen gesellschaftspolitischen Aspekt verfolgt, organisiert man sich zwar als Verein, verzichtet aber bewusst auf Hierarchien und kommerzielle Aspekte. Jede und jeder kann mitmachen, jeder ist – bis heute – angehalten, sich einzubringen, die Teilnahme kostet nichts. Die Bande sammelt ein paar Bands um sich und produziert einen ersten Sampler. „Der war handgemacht. Jeder hat da was beigesteuert, von CD-Rohlingen bis zu den Hüllen. Den haben wir bei mir in der Wohnung zusammengebaut und dann in Lokalen oder bei Partys verschenkt beziehungsweise freiwillige Spenden entgegengenommen“, so Moni.
Konzerte werden organisiert, Tontechniker und DJs aus den eigenen Reihen halten die Kosten flach. Ein Mitglied bietet ein günstiges Studio für Aufnahmen an. Infostände und Flohmärkte werden veranstaltet, eine Homepage aufgebaut, im B72 und im Chelsea kommt man gut an. Die Bands profitieren gegenseitig vom Wissen und den Kontakten der jeweils anderen. Als sichtbarer Beweis des Schaffens des Kollektives erscheint jährlich ein Sampler mit den teilnehmenden Bands. Der wird gegen eine freie Spende verteilt, „weil wir uns auf keinen Wert festlegen wollten. Wer nix gibt, kriegt ihn auch. Aber das ist noch nie vorgekommen“, so Aktivist Hannes. Die Sampler erreichen in Spitzenzeiten immerhin eine Auflage von 250 Stück.
Eine Zeit lang läuft es richtig gut. Als Moni aussteigt, kriselt es. Mit ihr verschwinden die aufgebauten Kontakte, geht viel Wissen verloren. Ein paar Monate existiert der Verein nur als Idee mit angeschlossener Homepage. Eine Nachfolgegeneration übernimmt das Ruder, es dauert eine Weile, bis sie sich eingearbeitet hat. Als der Bankrott droht, starten die Verbliebenen einen Spendenaufruf. „Der antikapitalistische Anspruch – schön und gut, aber irgendwer muss die Serverkosten und die Flyer bezahlen“. Wer von den „Mitgliedern“ tatsächlich wie viel spendet, ist aber egal. „Das haben wir nicht kontrolliert“, alles basiert auf Freiwilligkeit.
Wie Phoenix aus der Asche
Ende 2007 beginnt ein engagiertes Mitglied, eine regelmäßige Konzertreihe im Café Concerto aufzuziehen. Unplugged, weil das Concerto keine lauten Stromgitarren wollen darf. Das inspiriert viele Bands ihr Programm erstmals unplugged zu bringen und kommt beim Publikum gut an. Später gelingt es, im Bach eine Gig-Schiene für die lauteren Bedürfnisse unterzubringen. Die regelmäßigen Konzerte lösen einen Motivationsschub aus. Nicht nur, dass sie gut besucht sind und ein wenig Geld verdient wird, man hat auch das Gefühl, dass sich etwas bewegt. Die Kohle wird in die Produktion von T-Shirts, den jährlichen Sampler und ähnliches reinvestiert. Plötzlich bekommt das Ganze auch einen ernsteren Zug. Der Verein beginnt, seine Bands stärker in die Prozesse mit einzubinden.
Früher mailten Bands einen Dreizeiler, ein MP3 und ein Bild an den Verein und waren somit aufgenommen. Allerdings „sahen uns einige als Serviceeinrichtung“, die standen dann auf der Homepage, kamen im Newsletter und den Konzertankündigungen vor, brachten sich aber nie aktiv ein. Das widerspricht der Grundidee. Nach mehrmaliger Aufforderung an die schwarzen Schafe werden viele ausgeschlossen. Jetzt wird von Bands aktive Mitarbeit in einem Plenum verlangt.
„Wir wollen das Ding auch künftig so gut wie möglich am Laufen halten“
Heute steht man ganz gut da, das Netzwerk funktioniert. Die Fanatikerinnen und Fanatiker, an denen trotz allem das meiste hängen bleibt, halten das Werkl am Laufen, kümmern sich um die Konzertschienen, Flyergestaltung, Homepagebetreuung, Samplerproduktion und Promotion. Alle Vorkommnisse, Ideen und Pläne werden im vierteljährlich stattfindenden Plenum basisdemokratisch abgestimmt oder ausdiskutiert, hier lernen sich die Mitglieder auch persönlich kennen. Ergänzt werden diese Prozesse durch ein Forum. Weil gewöhnliche Vertriebskanäle nicht zur Verfügung stehen, konzentriert man sich auf eine Homepage, Facebook und Co, klassisches Flyerverteilen und eine eigene Radiosendung auf Radio Orange – und die Bands, die für die Verbreitung der Idee sorgen.
Dass man mit seinen Bands die Musikgeschichte nicht neu erfinden wird, die Chance auf Airplay im kommerziellen Radio gering ist und man auch in der öffentlichen Wahrnehmung mitunter keine besondere Bedeutung erlangen wird, stört nicht. „Darum ist es ja auch nie gegangen. Es geht ja in erster Linie um die Vernetzung der Bands“, so Hannes. Und um Spass, ein Hobby, eine Leidenschaft.
„Ein Label kann ja jeder gründen, wir wollten anders sein. Damit hätten wir uns wieder den üblichen Wegen (AKM) unterworfen, und das wollten wir nicht, so Gründungsmitglied Moni. Seit Sommer 2010 betreiben die Buben und Mädchen trotzdem eines. Welche Band veröffentlichen darf, entscheidet das Plenum. „Einen gewissen Qualitätsanspruch sollte das Material schon erfüllen“, so Hannes, wobei man in der Herangehensweise dem Vereinsgeist entsprechend sehr tolerant ist. Die ersten drei hauseigenen Bands haben schon veröffentlicht. Weil XBloome mit der Creative Commons Lizenz arbeiten, kann man deren Album hier legal und gratis runterladen. Der fünfte, gerade erschienene Edelbrand Records-Sampler wird wieder gegen freie Spende verteilt.
5 Jahre Edelbrand
Am Freitag den 12. November begeht das Kollektiv seinen fünften Geburtstag in der Arena Wien. Mit dabei: Propella, Subcooltours, Palindrome, XBloome.
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