Sex and the Lugner City: Are straight people okay?

Josef Jöchl artikuliert in seiner Kolumne ziemlich viele Feels. Dieses Mal beschäftigt ihn unter anderem die Frage, wie sich der Pride Month wohl für eine straighte Person anfühlt.

© Ari Yehudit Richter

Es ist nicht immer einfach, ein guter Ally zu sein. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Erst vor Kurzem begleitete ich meinen Bruder und seine Frau zu einer Veranstaltung, auf der sie ihre heterosexuelle Sichtbarkeit feierten: dem Abschiedskonzert von Fettes Brot im Gasometer. Anfangs schockierte mich die zur Schau gestellte Alltäglichkeit. Ein Meer von Softshell-Jacken, dröhnendes Gemurmel über Babysitter und die letzte Folge »Breaking Bad«, viele dieser Schuhe mit einer einzelnen Kabine für jede Zehe.

Doch ich war vorbereitet. Um nicht negativ aufzufallen, hatte ich mich schon zu Hause mit Axe-Bodyspray eingesprüht. Vor Ort zog ich mir eine Grillschürze über und redete sehr viel vom Hubraum meines Opel Astras, den ich nicht besitze, während ich mit ein paar Wine Moms mingelte. Nach den ersten Takten von »Jein« legte sich meine Scheu endgültig und ich stand kopfwippend an der Bar, als wäre es 1996 und ich mit einer Freundin zusammen, die sich in der Südsee bräunte. Sexuelle Orientierung ist eben ein Spektrum, dachte ich, als ich zu Hause einige an diesem Abend gewachsene Nasenhaare trimmte. Ein bisschen war ich sogar stolz auf meine Toleranz für Lebensentwürfe, die so extrem basic sind. Schließlich sind einige meiner besten Freunde heterosexuell.

Schwule Mädchen

Dieses Gefühl möchte ich mir im Juni bewahren. Denn ich kann nur erahnen, wie sich der Pride Month aus der Perspektive einer straighten Person anfühlt. Jeder Billa will plötzlich irgendwie schwul sein, auf allen Bims wedeln dir Regenbogenfähnchen entgegen, sogar deine Haushaltsversicherung feiert auf Instagram ihr Coming-out. Das weißt du, weil du so straight bist, dass du deiner Haushaltsversicherung auf Instagram folgst.

Es ist für Heteros mittlerweile ziemlich schwierig geworden, sich der queeren Folklore in europäischen Hauptstädten zu entziehen. Deshalb kommen auch immer mehr straighte Dudes zur Regenbogenparade. Wunderbar! Sie marschieren mit uns, um für Gleichheit zu kämpfen. Sie zeigen Flagge für sexuelle Selbstbestimmung. Sie lackieren sich die Fingernägel, um ein Zeichen zu setzen für … um ein extrem aussagekräftiges Zeichen zu setzen. Ihr Engagement für die LGBTQIA*-Community erschöpft sich auch nicht an diesem einen Tag. Das ganze Jahr über positionieren sie sich entschlossen gegenüber jeglicher Form von Diskriminierung. Ein Schelm, wer denkt, es ginge ihnen nur um die Gelegenheit, sich halbnackt am Ring zu besaufen und etwas Schickes aus dem Sexshop auszuführen.

Hetero-Tinder ist das schlechte Tinder

Man weiß es einfach nicht genau. Straighte Männer sind mir ein Buch mit sieben Siegeln. Dachte ich zuletzt, als ich einen Blick in die Dating-App einer Freundin werfen durfte, die das Pech hat, heterosexuell zu sein. Was man dort zu sehen bekommt, ist schlimm. Komische Hairstyles, weirde Angles, irgendwelche Stefans, die fließend Sarkasmus sprechen. Es gibt dieses bizarre Klischee von Dudes, die sich auf ihren Tinder-Fotos mit großen Fischen zeigen – und es stimmt. Außerdem die schiere Masse an Nachrichten, die offensichtlich gecopy-pasted wurden. Hetero-Tinder ist irgendwie das schlechte Tinder.

Auch in meine Matches verirrte sich vor Kurzem ein Heterosexueller, beziehungsweise: Heteroflexibler. Binnen weniger Nachrichten hatte er mir auseinandergesetzt, dass er keine Beziehung suche, weil er schon mit seiner Freundin zusammen sei, aber auch keine Freundschaft, weil Freund*innen habe er genug. Dennoch schwebte ihm eine Art Regelmäßigkeit vor. Es solle eine Sexfreundschaft werden, aber eben eher low, was den Freundschaftsaspekt angeht. Ich finde, so macht Polygamie keinen Spaß. Ohne die zumindest fernliegende Möglichkeit für Freundschaftstattoos werde ich mit Leuten einfach nicht warm, wenn ihr versteht, was ich meine.

Katzenohren vom Libro

Vielleicht begegne ich ihm ja auf der Regenbogenparade. Ich freu’ mich schon. Einen Tag lang gehört der Ring wieder uns allen. Ich mag nämlich straighte Leute auf der Parade ganz gern. Kommt, liebe Dudes, klebt euch Kreuze aus Isolierband auf eure Brustwarzen und sammelt ein paar Gratiskondome! Rein in die Westbahn, Kegelverein aus St. Pölten! Setzt euch einfach ein paar Katzenohren vom Libro auf – und geht schon! Bettinas, packt eure Brüste aus! Wer den Vibe-Check besteht, ist herzlich willkommen.

In Wahrheit geht es auf Pride Marches ja nicht lediglich um die Freiheit der queeren Community, sondern um die Freiheit von allen Menschen. Vorausgesetzt natürlich, ihr seid euch eurer Privilegien bewusst, erkennt die queere Geschichte an und seid auch in den restlichen elf Monaten stramme Allys. Jene gehen übrigens alle in die Show eines schwulen lokalen Comedians. Sie soll sehr gut sein. Sagen zumindest mein Bruder und seine Frau.

Josef Jöchl ist Comedian. Sein aktuelles Programm heißt »Die kleine Schwester von Nett«. Aktuelle Termine sind auf seiner Website www.knosef.at zu finden. Per E-Mail ist Josef unter joechl@thegap.at, auf Twitter unter @knosef4lyfe zu erreichen.

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