Sex and the Lugner City: »Good vibes only«

Jede fremde Wohnung ist wie eine neue Welt. Breite, graue Sofas gibt es schließlich in weit mehr als 50 Schattierungen.

josef jöchl(c) Ari Yehudit Richter
© Ari Yehudit Richter

Wann immer ich eine dieser kleinen LED-Lichtboxen sehe, überlege ich einen Moment, womit ich sie beschriften würde. Es scheint insgesamt drei Auswahlmöglichkeiten zu geben: »Home sweet home«, »Live love laugh« oder »Good vibes only«. Mein Verdacht ist, dass Leute, die sich eine LED-Lichtbox kaufen, den Spruch aus der Packung einfach stehen lassen und sich dann sagen: Live love laugh, so ist das eben jetzt.

Das ist natürlich ein Vorurteil. Ich kenne niemanden persönlich, der eine LED-Lichtbox besitzt, so wie ich auch niemanden kenne, der einen Minikühlschrank neben der Couch stehen hat oder sich die Wohnzimmerwand hat tätowieren lassen. Schon eher kenne ich Leute, die ihre Wohnumgebungen liebevoll aus Willhaben, Ikea, Nachlässen stilvoller Verwandter und Geschenken internationaler FreundInnen kuratieren, aber damit kann ich umgehen. Fast alle haben graue, breite Sofas. Seit Marie Kondo haben sie weniger Zeug, das sie ökonomischer aufbewahren. Ein nach Farben sortiertes Bücherregal ist in der Regel der größte Unsinn, mit dem ich zu rechnen habe.

Nett hast du’s hier!

Bis ich jemanden kennenlerne. In einer Millionenstadt mit Tausenden von Menschen gibt es immer die lebendige Chance auf Störimpulse in der homosozialen Matrix. Jedes Mal, wenn ich eine fremde Wohnung betrete, setze ich potenziell einen Fuß in eine neue Welt. Breite, graue Sofas gibt es schließlich in weit mehr als 50 Schattierungen und auf Erasmus lernt man die verschiedensten Leute kennen, die einem irgendwann auch mal was schenken. Nachdem ich meine Schuhe ausgezogen habe, scanne ich binnen weniger Momente Ablageflächen, Abstellräume und Buchrücken wie die neugierigsten KandidatInnen bei »Das perfekte Dinner«. Erst wenn ich weiß, mit wem ich es zu tun habe, kann ich mich entspannen und in 100 % aller Fälle sagen: Nett hast du’s hier.

So wie zuletzt. Nach einem Kinobesuch – Arthouse, nicht zu weit hinten, Mitte – schlug er vor, noch auf ein letztes Glas zu ihm zu gehen. Er wohnte im Altbau, drei Stiegen hinauf. Schon im Vorzimmer wurde ich überrascht: Ziemlich durchschnittlicher Einrichtungsgeschmack für einen postmaterialistisch-orientierten Schwulen mit tertiärem Bildungsabschluss. Das Wohnzimmer war dominiert vom Centerpiece, dem Strandmon-Sessel in Nordvalla-Grau, dahinter Grüppchen kleiner Bilder von ganz besonderen Erinnerungen. Fand ich alles ganz gut, man möchte sich in seiner Durchschnittlichkeit ja auch irgendwie wiederfinden. Schlagartig nüchtern wurde ich erst im Schlafzimmer.

Eleganza, Romantica, Siempre

Ich kenne wenige Tabus. Boxer Briefs sind eines davon, aber noch kein Dealbreaker. Vor meinen Augen lag der textilgewordene Buzzkill: hässliche Bettwäsche. Eleganza, Romantica, Siempre – und wie die Bettwäschedekore von Tchibo, Leiner und Armin Center noch so heißen mögen: Es wird nicht funktionieren. Meine Libido reagiert empfindlich auf Streifenoptik und Kreisornamente. Wer Bettwäsche-Aquarelle malt, ist vielleicht nicht ohne Grund auf der Akademie abgelehnt worden. Auch Lichtausmachen hilft in solchen Fällen nicht. Poly, okay! Aber Polyester – next! Leicht abgestoßen saß ich auf der Bettkante, vor mir mein Date, hinter mir eine bereits zurückgeschlagene Zudecke. Bisher hatte alles so gut zueinander gepasst. Doch in jenem Moment zeigte sich mir die Gesamtsituation in neuem Licht. Ich konnte nicht anders, als mich zu fragen: »Does he still spark joy?«

Folglich führte ich das schwere, aber unvermeidliche Gespräch. Nicht du bist der Grund, sondern deine Bettwäsche. Ich hatte mit vielen Reaktionen gerechnet. Vielleicht hatte er die Bezüge von seiner verstorbenen Oma geschenkt bekommen oder eine Wette im Freundeskreis verloren. Vielleicht prankte er mich auch gerade auf besonders perfide Art und Weise. Doch nichts von alledem. Geknickt gab er zu: Ja stimmt, er habe wirklich hässliche Bettwäsche. Er wolle sich aber bessern und folge bereits einigen ausgewählten Interior-Design-Blogs, worauf ich sagte, dass alles nicht so schlimm wäre, und wir uns bis in die Morgenstunden innig umarmten.

Ich brate selbst mit Olivenöl

So ist das Ganze selbstverständlich nie passiert. Als er sich zu mir aufs Bett setzte, sagte ich: Nett hast du’s hier. Dann schmusten wir ein bisschen und ich ging nach Hause. Ich weiß ja selbst nicht, wie man richtig wohnt. Interior-Design-Blogs behaupten gerne, die Wohnung sei der Spiegel der Seele. Sollte das wirklich stimmen, wäre ich ein ziemliches Arschloch. Was bei Dorian Gray noch ein Gemälde auf seinem Dachboden war, ist bei mir bereits eine raumgreifende Installation, mixed media, courtesy of myself. Bevor sich auf dem Weg vom Bade- ins Schlafzimmer nicht mindestens ein vollständiges Birchermüsli auf meinen Fußsohlen ansammelt, hole ich den Staubsauger erst gar nicht aus dem Abstellraum. T-Shirts einrollen habe ich genau einen Tag durchgehalten, außerdem brate ich mit Olivenöl. Vielleicht sollten sich Leute, die etwas zu intensiv feine Unterschiede sezieren, öfter mal vor Augen halten: »Live love laugh«. Am Ende zählen »Good vibes only« im »Home sweet home«. Schaut auch gut aus in einer kleinen LED-Lichtbox.

Josef Jöchl ist Comedian und artikuliert hier ziemlich viele Feels. Sein Programm »Nobody« feiert im Herbst Premiere. Aktuelle Termine findet man unter www.knosef.at. Josef ist per Mail unter joechl@thegap.at sowie auf Twitter unter @knosef4lyfe zu erreichen.

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