Shanghai Calling #1

Mit Ende März habe ich meinen Schreibtisch bei Super-Fi in Wien gegen eine Schulbank an der ECNU in Shanghai getauscht. Mein Ziel: In vier Monaten so viel Chinesisch zu lernen, wie nur irgendwie möglich.

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Bildungskarenz liegt laut AMS-Angaben derzeit ja voll im Trend. Auch ich habe mich dafür entschieden (danke nochmals an Super-Fi, dass das überhaupt möglich ist). Sofern der Arbeitgeber zustimmt, ist das wohl die einfachste Möglichkeit, sich fortzubilden (Infos zur Bildungskarenz im Kasten links).

Was mir Chinesisch im Job bringt? Vordergründig mal wenig (vorerst zumindest). Aber nach acht Jahren in nicht ganz unstressigen Jobs tut es ganz gut, den Kopf mal mit anderen Dingen zu füllen als mit Arbeit. Chinesisch bietet sich als Lernübung ganz gut an. Und da ich meine damalige Band einem Uni-Auslandssemester vorgezogen habe (was ich ganz und gar nicht bereue) hat mir die Erfahrung, ein paar Monate im Ausland zu leben noch gefehlt.

Was ich gleich mal festhalten sollte: Chinesisch ist echt schwierig. Vor allem, wenn man über einige Jahre wenig "gelernt" hat. Die Aufnahmefähigkeit ist dann – bei mir zumindest – ein wenig eingerostet. Vokabeln zu lernen fällt doppelt so schwer wie zu Schulzeiten. Mit Vokabeln ist die chinesische Umschrift Pinyin gemeint, die uns die Aussprache (in Mandarin gibt es vier Betonungszeichen) erkennen lässt. Pinyin brauchen auch die Chinesen selbst, um eine Computer-Tastatur bedienen zu können.

Grundsätzlich ist die chinesische Sprache ziemlich simpel. Es gibt so gut wie keine Grammatik. Vergangenheit oder Zukunft gibt es nicht. Die Satzstellung ist – wenn man sie wortwörtlich nimmt – für uns mit "Migrantendeutsch" zu vergleichen. Und prinzipiell gibt es nur Infinitiv als Verbform. Schwierig wird es dann, wenn es um die Aussprache und die Zeichen geht. Aber derzeit steht noch Pinyin und Aussprache im Vordergrund.

Big Brother

Eine Aufenthaltsgenehmigung für China zu bekommen ist für Touristen ziemlich easy. Zwei Besuche bei der Botschaft genügen. Schwierig wird es, wenn man länger als drei Monate bleiben will. Ohne offizielle Einladung eines Ministeriums oder einer Uni geht gar nichts. Ich habe das glücklicherweise von der ECNU (East China Normal University) bekommen und darf exakt 120 Tage im Land bleiben. Ausreisen darf ich zwischenzeitlich nicht. Eine Reise nach Taiwan oder Hongkong würde ebenfalls als Ausreise gewertet werden.

Nach der Ankunft in Shanghai muss man sich innerhalb von 24 Stunden bei der lokalen Polizeistelle anmelden. Für einen Touristen wird das vom Hotel erledigt. Wenn man eine Wohnung mietet, braucht man eine Bescheinigung des Vermieters und irgendeine Bestätigung, dass die Wohnung versichert ist. Das hat praktischerweise die Vermieterin für mich erledigt. Sonst besteht durchaus die Möglichkeit an der Sprachbarriere zu scheitern. Zwar sprechen recht viele jüngere Leute Englisch, aber die Verständigung in Geschäften und bei Behörden ist nicht ganz so einfach.

Leben und so

Als China-Erstbesucher bin ich von der Offenheit hier überrascht. Sowohl der Leute als auch der Medien (zumindest der englischsprachigen TV-Staats- und Privatsender). Als "Westler" wird man von den Leuten, die Englisch können, schon mal auf der Straße angesprochen und gefragt, woher man kommt und was man hier macht. Zwar leben angeblich 300.000 Expats hier, aber in den öffentlichen Verkehrsmitteln sieht man so gut wie keine. Das liegt vermutlich daran, dass Taxifahren unheimlich günstig ist (12 RMB ist der Grundtarif und da kommt man schon ein paar Kilometer weit – das sind ca. 1,3 Euro). Außerdem gibt es eigene Wohnkomplexe für Expats, mit Importshops, in denen man Lebensmittel aus Europa und den USA kaufen kann – zu sehr stolzen Preisen versteht sich.

Sieht man von den Mietpreisen ab (die 40 Quadratmeter-Wohnung im Zentrum kostet 4.900 RMB – ca. 530 Euro) ist Shanghai für Europäer unheimlich billig. Vor allem Lebensmittel (als Veganer ohne Sprachkenntnisse ist man leider auf die Sachen beschränkt, die auch auf Englisch angeschrieben sind – ca. 1/3) und Restaurants. Natürlich kann man es auch sauteuer haben.

Shanghai

Shanghai an sich ist ziemlich geil. Riesengroß und strahlend. Trotz der vielen Wolkenkratzer fühlt man sich aber nicht beengt. Die Straßen sind sehr breit und unzählige Grünflächen lockern alles irgendwie auf. Der Verkehr ist natürlich trotzdem heftig. Straßen zu überqueren geht nur voll konzentriert. Eine grüne Fußgängerampel bedeutet nämlich nicht, dass nicht trotzdem aus allen Richtungen Autos kommen können. Die Scooter- und Fahrradfahrer kümmern sich ohnehin nicht um Ampeln. Am gefährlichsten sind die Scooter mit Elektromotor. Die sind absolut nicht zu hören, viel schneller als Fahrräder und in der Nacht meist ohne Licht unterwegs.

Shanghai wurde für die Expo ordentlich rausgeputzt. Aber die Stadtentwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen. Wie man in der Shanghai Urban Planning Exhibition Hall sieht, wird hier mit Fünfjahresplänen vorgegangen. Ebendort steht auch ein 600 Quadratmetermodell, wie Shanghai 2020 aussehen soll (siehe Bild links). Sehr beeindruckend.

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