Shitstorm im Namen des Herrn

Wiener Neustadt wird terrorisiert, Facebook-Zensur und Hasstiraden religiöser Fanatiker: Trotzdem zeigt die Wiener Künstlerin Deborah Sengl seit heute ihre Werke in der ehemaligen Kirche St. Peter an der Sperr in der Wiener Neustadt. Was es auf Facebook nicht mehr zu sehen gibt und Bilder Sengls Ausstellung gibt es in unserer Gallery – auch morgen noch.

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Pater Walter Ludwig eröffnete Sengls Ausstellung in der St. Peter gestern Abend mit einer langen Ansprache – allen Protesten zum Trotz. Religiöse Eiferer begannen nach einer Ausstellungsankündigung im „Heute“, in der die Kirche die Ausstellung kritisierte, und einer einstweiligen Sperrung von Sengls Facebook-Page auch noch Sengls Website mit Beschimpfungen zu übersäen. SMS und private Mails wurden an sie verschickt – keine freundlichen. Der Server des Bürgermeisters von Wiener Neustadt, Bernhard Müller, der ebenfalls zur Eröffnung sprach, wäre beinahe unter der Last von über 500 Emails religiöser Verschwörer zusammen gebrochen. Eine Unterschriftenliste gegen die Eröffnung von Sengls Ausstellung kursiert auf Twitter. So wurden mehrere Beteiligte virtuell bombardiert, diese "Blasphemie" der Kunst nicht durchgehen zu lassen.

Jesus ist kein Huhn

Insbesondere die Skulptur „Huhn am Kreuz“ ist den überzeugten Christen ein Dorn im Auge. Das Werk wurde bereits letztes Jahr auf der Vienna Fair ausgestellt und stellt das Tier als Märtyrer für den Hunger der Menschheit in der modernen Lebensmittelindustrie dar. Am oberen Ende des hölzernen Kreuzes sind die drei Buchstaben „KFC“ eingraviert. Sengls Skulpturen sind ästhetisch schön im klassischen Sinne und „bewusst plakativ“, so Sengl. Der den Piusbrüdern nahestehende Blog Katholisches.info hat Probleme diese klare Botschaft zu interpretieren und befindet, Sengl „höhnt den Leidensweg Christi“. Auf ihrer Facebook-Seite befinden sich dutzende Kommentare, die die Skulptur z.B. als "Gotteslästerung und Beleidigung gegen die Christen", als "hässlich, einfallslos und dumm" bezeichnen. Wenige Kommentare bringen wirklich sachliche Argumente an, eines derer sagt, das Kunstwerk trivialisiere die Bedeutung der christlichen Hoffnungen und erniedrige diese.

Sengl „wundert“ es sehr, dass ihre Werke, die „so stark für sich selber sprechen, so missverstanden werden“. Sie findet es „originell“, dass man sich so auf dieses Werk versteift, ihr „Wolfsschafspabst“ sei doch "viel brutaler“ – wenn man daran nun unbedingt eine Kritik der Kirche sehen wollte. Tatsächlich hinterfragt Sengls Kunst Täuschung und Maskerade und es wäre klar, so die Künstlerin zum letztgenannten Werk, „dass es dabei auch um die Scheinheiligkeit geht. Es sind ja wahnsinnige viele Missbrauchsfälle passiert, die vom Vatikan kaschiert wurden.“ Deshalb würden die katholischen Hassprediger wohl auch nicht so viel Wind um diese Skulptur machen.

Shitstorm im Namen des Herrn

Am 14. August wurden drei Malereien auf Deborah Sengls Facebook-Seite wegen Darstellung von Nacktheit und Pornografie gemeldet, ihre Seite wurde anschließend von Facebook für 24 Stunden gesperrt. Möglich ist das nur, wenn Bilder mehrmals als anstößig gemeldet werden. Blöd wäre dabei, dass diese Protestierenden laut Sengl immer noch „schlau genug sind, dass sie wissen, wie sie sich formulieren, dass es noch an der Grenze der Legalität bleibt“, so Sengl.

Facebook-Zensur

„Drohungen“ und „Hassreden“ sind nach Facebook-Gemeinschaftsstandards verboten. Bezüglich Nacktheit und Pornografie heißt es dortwo, ist man „bestrebt, das Recht der Menschen, persönlich bedeutsame Inhalte miteinander zu teilen, zu respektieren, und zwar unabhängig davon, ob es sich um das Foto einer Skulptur, wie z. B. dem David von Michelangelo, oder um Familienfotos einer stillenden Mutter handelt“. Natürlich legt Facebook nicht fest, was „Kunst“ ist und was nicht, sondern legt eher allgemeine Richtlinien über Rechte und Pflichten über alle Inhalte seiner Nutzer – ohne Diskussion. Bekanntermaßen sind deren Maßstäbe eher technischer als ästhetischer Natur. Besonders bewusst wurde dies erst wieder im März, als die Facebook-Seite des Pariser Museums Jeu de Paume wegen einer Aktfotografie aus dem Jahr 1940 gesperrt wurde. 2011 wurden eine Reihe von Profilen gesperrt, auf denen Gustav Courbets berühmter Akt "Der Ursprung der Welt" gepostet war.

Dabei hat ein tüchtiger Skandal noch keinem Künstler geschadet. „Natürlich ist es auch eine Publicity – ich habe seit dieser Geschichte über 100 Likes gewonnen. Aber eigentlich muss ich sagen, kriege ich lieber Fans über das Interesse an meiner Arbeit und nicht über Skandale.“

Die Ausstellung "Deborah Sengl" ist noch bis 29. September in der St. Peter an der Sperr in Wiener Neustadt zu sehen.

Geöffnet täglich 10 bis 18 Uhr.

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