Spaß mit Untoten

2012 war das Jahr von Fun. Mit einstelligen Charts-Positionierungen und zahlreichen Award-Nominierungen stehen auch 2013 alle Zeichen auf Weltbühne. Ein genauer Blick auf das Phänomen Fun. offenbart überraschend viel über die aktuelle Pop-Landschaft.

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Wenn 2013 noch etwas Mainstream-Pop ist, dann ist es Fun. Das beweisen nicht nur die Zahlen, sondern zeigt sich auch an Musik und Rezeption der Band.

Die Statistiken sprechen eine deutliche Sprache. „We Are Young“ (mit Janelle Monàe) ist ein Hit wie er im Buche steht und wurde u.a. in Österreich, Großbritannien und den USA zur Nummer 1-Single. Fast überall schoss sie in die Top 5 der Charts. Der Nachfolger „Some Nights“ und das gleichnamige Album schafften es in den USA an die Spitze und anderswo ebenfalls in die Hitlisten.

Einmaleins des Erfolgs

Nate Ruess, Andrew Dost und Jack Antonoff wurden außerdem mit zahlreichen Award-Nominierungen belohnt. Bei den EMAs im November gingen sie zwar leer aus, aber mit Startplätzen in sechs Kategorien stehen die Chancen auf einen Grammy nicht schlecht. Bei all diesen Auszeichnungen werden sie als Newcomer gehandelt, obwohl ihre Debüt „Aim And Ignite“ bereits 2009 erschien. „Es ist etwas seltsam, dass wir um die 30 und als ‚Best New Artist‘ nominiert sind. Bon Iver hat letztes Jahr auch den Grammy als bester Nachwuchskünstler für sein zweites Album gewonnen. Wir wissen, dass bei Award Shows erst der Zeitpunkt zählt, ab dem man zum Mainstream gehört, nicht, was dazu geführt hat”, erklärt Andrew beim Interview. Er und seine beiden Mitstreiter, Sänger Nate und Gitarrist Jack, haben sich in einem edlen Hotel am Wiener Opern-Ring auf verschiedene Stockwerke verteilt um bei ihrem Besuch möglichst vielen Interviewanfragen nachzukommen. Alle drei sind tatsächlich alles andere als Newcomer im Musikgeschäft und spielten in verschiedenen Bands, bevor sie sich 2008 zu Fun. formierten.

Den Grund für die gestiegene Aufmerksamkeit glaubt Andrew, Ex-Mitglied der inzwischen aufgelösten Indie-Rock-Band Anathallo, zu kennen: “Ich denke, unsere Plattenfirma war ausschlaggebend, indem sie sicherstellte, dass die richtigen Leute das Album hören und unsere Sichtbarkeit verstärkte.” “We Are Young” wurde als Untermalung eines Chevy-Spots in den Spielpausen beim Superbowl 2012 platziert, nachdem er bereits durch eine Cover-Version in der Fernsehserie Glee einen Popularitäts-Schub erhalten hatte – Promotion über generationenübergreifende TV-Formate statt jugendaffiner Internet-Hype. Natürlich wurden die Amerikaner anschließend auch von Printmedien und im Internet diskutiert – oftmals in Verbindung mit dem Hipsterism.


In der Hipster-Falle

Der Hipster ist seit einiger Zeit im Mainstream angekommen und (deshalb) tot. Nur noch die äußere Hülle vager, kultureller Codes ist übrig. Entsprechende Frisuren und übergroße Brillen finden sich bei den drei Herren von Fun. gelegentlich. Auch das Cover von “Some Nights” erinnert an einen Instagram-Schnappschuss und beim Gespräch trägt Andrew auch noch ein großflächig gemustertes Vintage-Hemd, das bis zum obersten Knopf geschlossen ist. Das müssen ja Hipster sein!

So wie Mainstream-Medien mittlerweile mit dem Begriff um sich werfen, stört sich natürlich keiner daran, dass ein Erfolg beim Massenpublikum eigentlich einen Widerspruch zum Exklusivitätsgebärden und der Distinktionssuche des Hipsters ist, auch wenn diese sich ebenfalls über Massenkultur vollziehen. Andrew hingegen freut sich über die Aneignug seiner Musik: “Erst waren waren nur wir drei beteiligt und mit Glee wurde daraus schließlich ein Projekt mit 20 Schauspielern und hunderten Leuten, die dort am Set arbeiten. Es ist inspirierend, dass es so klein anfing und inzwischen jedem dieser Menschen ein bisschen gehört.”

So braut man einen Hit

Auch musikalisch schielen Fun. weniger in subkulturelle Nischen als auf die große Bühne, wo sie inzwischen auch gelandet sind. “Das lag auch an gutem Timing. Ich glaube, die Menschen haben auf so etwas, das wir mit unserem Album gemacht haben, gewartet.” Damit könnte der Multiinstrumentalist der Band gar nicht so Unrecht haben, nimmt man einmal die Erfolgszutaten des Albums genauer unter die Lupe.

“Einen Sound, den wir auf dem Album haben wollten, waren Hip Hop-Beats und -Sounds in der Art, wie Kanye West sie benutzt um einen Song zu konstruieren. Wir waren besonders von seinem letzten Album und dem Vorgänger "808s And Heartbreaks" inspiriert, außerdem von Drake und Alicia Keys‘ "Try Sleeping With A Broken Heart". Der Name, der bei allen auftauchte, war Jeff Bhasker und wir haben uns gefragt, was er mit unseren Songs machen würde.”

Mit Bhasker hatte man nicht nur einen Erfolgsgaranten des aktuellen Musikgeschehens im Boot. Seine Beats und Samples – manchmal subtil, manchmal eindeutig in Hip Hop-Richtung weisend, immer mit dem richtigen Groove – bilden ein Gegengewicht zu den sich fast anbiedernden Pop-Melodien und den pathetischen Hymnen. Eine Prise dieser Coolness ist es, was massenhaft Köpfe zum Nicken und Beine zum Tanzen bringt – und was in Kombination mit Stadionrock und Musical-Referenzen die Eigenständigkeit und auch große Anziehungskraft des Albums ergibt.

Musicals spielten schon auf dem Debüt eine große Rolle. “Das erste Album wurde sehr vom Musiktheater beeinflusst. Ich liebe Musicals und habe sogar selbst eines geschrieben. Wir sind wahrscheinlich mindestens einmal pro Woche in ein Broadway-Musical gegangen, als wir es schrieben.” Zumindest sind die neuen Songs im TV-Musical Glee gelandet. Die US-Serie war in den letzten Jahren ein Riesenerfolg, der Musical-Serien wieder populär machte und ganz nebenbei durch Cover-Versionen von Pop-Songs der kränkelnden Musikindustrie steigende Umsätze bescherte.

Dramatik in Musik, Gesang und Text ist im Pop jetzt auch abseits von den Überballaden der Pop-Diven wieder salonfähig und zwar dank Glee auch im Kontext einer Geschichte, aber eben auch vor deutlich künstlicher Kulisse. Bei Fun. gibt es demnach eine Sopranistin im Hintergrund, ein leidenschaftlich gespieltes Piano am Bühnenrand und die ganz großen Gefühlen im Vordergrund. Gemeinhin sind die inbrünstigen Musical-Performances aber eigentlich immer noch etwas uncool und unhip. Ganz sicher aber sind Musicals kein Nischenphänomen in der Art, wie sie sich Hipster anzueignen pflegen.

Statt einer Kultur der Unterschicht handelt es sich um ein Genre, das in der bürgerlichen Tradition der Operette steht. Das Intro zum “Some Nights”-Album verrät ein Faible für Musiktheater, das an Queen erinnert. “Den Vergleich mit Queen haben wir oft gehört, was als Kompliment Wahnsinn ist, weil wir Queen lieben. Es stimmt schon, der Gesangsstil von Nate ist manchmal dem von Freddy Mercury ähnlich. Ich habe viel Queen, Beach Boys und Yello gehört.”


Zitiert wird auf dem Album zwar in bester Hipster-Manier, dass einem schwindelig wird. Ziel und Ergebnis sind aber keine formell perfekten Zitate, sondern ein Pop-Bastard, der aus allen Jahrzehnten und Stilen populärer Musik den konzentrierten Zucker destilliert – vorwiegend aus den 80ern, 90ern und von heute. Die Songs bleiben hängen, ob man will oder nicht.

Autotune als musikalische Modeerscheinung darf natürlich auch nicht fehlen, die in “Stars” einen spannenden Kontrast zum romantischen Streicherbett ergibt. Andrew erklärt seine Theorie zum Effekt, an dem sich die Geister scheiden: “Autotune steht für einen interessanten Moment, wenn Technologie auf menschliche Kompositionen trifft. Mehr als alles andere ist es eine Art, wie man Distanz zwischen Sänger und Hörer schaffen kann. Das gibt auch den Texten ein ganz anderes Gewicht. Man ist dazu gezwungen, Gefühle anders zu vermitteln.”

Hier beim Interview sitzt weniger ein Hipster mit hohem Trendbewusstsein, als ein leidenschaftlicher Musiker, der ganz ohne Ironie und mit vor Begeisterung glänzenden Augen von seiner Musik spricht. Sein Instrumentarium erweitert er ständig. “Ich habe versucht damit aufzuhören, weil ich auf meinen bisherigen Instrumenten besser werden und mich mehr auf Songwriting, -strukturen und das Dirigieren konzentrieren wollte. Die letzten drei, vier Jahre habe ich gelernt, wie man für Orchester, Streichquartett, etc. komponiert." Selbst spielt er kein Streichinstrument, aber findet es wichtig zu wissen wie sie funktionieren, welche Übergänge leicht sind, welche Tonarten passen. Einigen Songs hört man die Sozialisation mit klassischer Musik, Musiktheorie und den Unterricht in klassischer Trompete an – ein Einfluss unter vielen.

Smells Like Zombie Spirit

Frei nach George A. Romero und sinngemäß nach Mark Greifs Hipster-Bestiarium: “Wenn im Underground kein Platz mehr ist, kommen die Subkulturen auf den großen Bildschirm.” Instagram, Mode-Blogs und ernstgemeinte “How To Become A Hipster”-Anleitungen… als untote Version des Hipsters der Zehner Jahre, auf äußere Reize reduziert, hartnäckig und in Schwärmen bevölkern Hipster-Zombies das Internet, aber auch Fernsehshows und Top-Ten-Alben. Dass Fun. bei diversen Medien vom Geruch dieser untoten Subkultur getarnt als Teil des Zombie-Mobs durchgehen, zeigt einmal mehr das Geheimnis ihres Erfolges: das Aufgreifen und Bündeln verschiedenster, aktueller Trends in einem hübsch klingenden Gesamtbild.

Bild(er) © Warner Music
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