Spelunken meines Herzens

Einhorn, Café Siebenbrunnen, Fredi´s Feuerhalle und Café Industrie – ich werde euch vermissen.

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Ich habe vor einigen Tagen zu rauchen aufgehört, was mir vor allem eines bewusst gemacht hat: Ich kenne keine Nichtraucherlokale. Und als ich über diese für mich als Mensch, der 16 Jahre in Wien lebt, doch etwas absurde Begebenheit sinnierte – denn zum Sinnieren verwende ich die durch Nichtrauchen gesparte Zeit, die mir meine kluge App anzeigt (Stand: 21 h 42) – fiel mir ein, dass ich mich in den letzten Jahren nicht nur quasi nie in einem Nichtraucherlokal aufgehalten habe, sondern mit großer Leidenschaft in den räudigsten Höhlen, die ich in unmittelbarer Nähe zu meinem jeweiligen Wohnsitz finden konnte. Also das klingt so, als hätte ich gesucht. Aber ich bin einfach in das erste Lokal reingegangen und gefühlt nie wieder raus. Und "räudig" ist auch Ansichtssache, ich persönlich finde sowas ja eh normal.

Das Einhorn, erste große Liebe

Während meines Studiums war es jedenfalls das Café Einhorn. Jeder kennt das Einhorn, auch wenn man Leute öfter "Gemma bitte nicht ins Einhorn" als "Gemma ins Einhorn" sagen hört. Jeder war mindestens einmal da, jedem ist dort etwas Schräges passiert und mir besonders viel davon. Einmal hat mich ein Typ von der Bar aus eine Stunde beäugt, bis sein(e ?) Wingwoman irgendwann zu mir gekommen ist und meinte, ihr Brudi würde mich jetzt gern anbraten, aber nur wenn ich nicht Sternzeichen Zwilling bin. Ich lehnte trotz (oder wegen?) meines Sternzeichen Löwe Aszendent Löwe Daseins dankend ab. Bei einer Faschingsparty (wo extrem viele extrem fertige Leute extrem bunt verkleidet waren) hatte ein Pärchen so handgreiflichen Streit, dass mir die Frau beim Versuch ihren Göttergatten zu gnackwatschen unabsichtlich aber ordentlich eine mitgab. Ich habe heute noch Telefonnummern im Handy gespeichert, die aus einem Vornamen und dem "Nachnamen" Einhorn bestehen. "Einmädchen Einhorn" ist mein liebster Eintrag.

Man lernte immer jemanden kennen, ob man wollte oder nicht und wenn man neue Leute ins Einhorn brachte, die mit diesem wundervoll abgefuckten Paralleluniversum nicht vertraut waren, kam immer die Frage auf, was denn da im Keller los sei. In meiner Einhorn-Hochzeit mischten sich immer mehr hippe Menschen unter die Stammkunden aber irgendwie war selbst das allen voll wurscht. Es wurde koexistiert und kollektiv die Goschn gehalten. Eskalieren durften grundsätzlich nur die Kellner, die das aber auch regelmäßig taten. Als ich kürzlich mal wieder im Einhorn war, traf ich jemanden, den ich im Gymnasium in Latein unterrichtet hatte, als er 13 war. Nun ist er 18. Ich kaufte ihm ein Bier und beweinte leise das Vergehen der Zeit.

Café Siebenbrunnen

Als ich dann in die Nähe der Reinprechtsdorferstraße zog, musste ein neues Stammlokal her. Wer Zwischenüberschriften liest, weiß, dass es das Café Siebenbrunnen war, einer der skurrilsten Orte, die ich kenne. Rein einrichtungstechnisch herrscht im Siebenbrunnen ein kaum zu beschreibender horror vacui. Ein bisschen so, als hätten Ulrich Seidl und Wes Anderson zusammen ein Filmset nach dem Motto "mehr ist mehr" gestaltet. Oder als wäre man in einer österreichischen Version von Alice in Wonderland gelandet. Abgesehen davon ist das Siebenbrunnen aber ziemlich zahm.

Fredi´s Feuerhalle

Auch noch gut in 1050: Fredi’s Feuerhalle. Neben dem Akzent nach Fredi, der selbst wenn er ein Apostroph (also das hier ‚) wäre, völlig falsch wäre, ist alles andere an diesem Lokal richtig. Von den drei Pin-Up Kalendern, zum Sparvereinkasterl bis auf die letzte Devotionalie, die die treuen Fans ihrem Fredi über die Jahre mitgebracht haben und die dieser, oder eine seiner Kellnerinnen/Frauen, liebevoll an den Wand angebracht hat. Auch bei Fredi bleiben – anders als im Siebenbrunnen aber auch gut – keine Wünsche, was das Interieur betrifft, offen. Das Lokal bietet vielleicht Platz für acht Leute und man ist natürlich immer eine Art Fremkörper, wenn man es besucht. Aber nach zwei Bier (die man selbst trinkt und die vier Bier bei den Stammgästen entsprechen) wird man etwas weniger angestarrt und fast schon akzeptiert.

Café Industrie

Angestarrt wird man auch im Café Industrie, wenn man eine gewisse Altersgrenze unterschreitet, eine Frau ist, oder einfach die Tür im falschen Moment aufmacht. Seit ich in Meidling wohne, ist das Industrie mein Sehnsuchtsort schlechthin. Weil ich halt Sehnsucht nach Rauchen und skurrilen Live Bands habe. Als ich das letzte Mal dort war, hat sich die Kellnerin eine Spitzenunterhose über ihre normale Hose angezogen, weils wurscht ist.

Amira kann noch ein paar Monate wegen akuter Gefahr, wieder zu rauchen anzufangen, ihre liebsten Orte nicht besuchen. Bitte übernehmt das für sie.

Bild(er) © https://www.facebook.com/frohsinns
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