Diagonale: 5 Fragen an Barbara Pichler

Die Diagonale ist das wichtigste Festival für österreichischen Film. Alle sind sich einig: heimischer Film war selten so stark. Umso mehr schmerzt der Rückzug des Sponsors A1 aus der gesamten Filmfestivallandschaft. Wir haben die Festivalleiterin Barbara Pichler für ein Interview per Mail getroffen.

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Spätestens seit der Oscar-Nominierung für "Darwin’s Nightmare" 2006 gab es für den österreichischen Film einen wahren Regen an Auszeichnungen und Nominierungen. Welche Filme hatte die Diagonale als Premiere? Ist die Diagonale auch für die Szene selbst der relevanteste Präsentationsort?

Wenn man alle Filme aufzählen wollte, die in den letzten 14 Jahren auf der Diagonale Premiere hatten, würde das eine sehr lange Liste werden. Sehr viele Filme feiern jedes Jahr ihre Uraufführung oder ihre Österreichpremiere auf dem Festival – in den letzten Jahren waren das bei den Langfilmen, um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen, "Abendland" (Nikolaus Geyrhalter), "Die Vaterlosen" (Marie Kreutzer), "Contact High" und "Das Vaterspiel" (Michael Glawogger), "Universalove" (Thomas Woschitz), "Schwarzkopf" (Arman T. Riahi), "Kick Off" (Hüseyin Tabak), "Inside America" (Barbara Eder) und "Empire Me" (Paul Poet). Hinzu kommen zahlreiche Premieren von Kurz- und Experimentalfilmen sowie Musikvideos.

Die Diagonale ist sicher der wichtigste Ort für die Präsentation und Diskussion des österreichischen Kinos, denn im Rahmen des Festivals geht es um eine differenzierte und umfassende Auseinandersetzung mit unserer heimischen Filmproduktion. Allerdings muss man auch sehen, dass ein Festival eben nur einmal im Jahr stattfindet und daher natürlich nicht alle österreichischen Filme immer ihre Premiere dort feiern können.

Hatte die Diagonale durch den Boom des österreichischen Films mehr Zulauf oder auch merkbar mehr internationales Publikum?

Die Diagonale hat sich in den Jahren seit ihrer Übersiedlung nach Graz sowohl beim Publikum als auch in der Branche als Treffpunkt für alle am österreichischen Film Interessierten etabliert. Und wir sind stolz darauf, dass wir auf dieser Basis aufbauen und unsere Besucher/innenzahlen in den letzten Jahren noch klar steigern konnten. Was internationale Gäste betrifft, setzen wir auf Kommunikation und Vernetzung – eine Strategie, die sich bezahlt macht, denn wir konnten in den letzten Jahren nicht nur mehr internationale Presse, sondern auch vermehrt Kuratorinnen und Kuratoren sowie Filmschaffende, vor allem aus dem Bereich Produktion, auf der Diagonale begrüßen.

Kam der Rückzug des Festival-Sponsors A1 überraschend? Gab es die Möglichkeit die Zusammenarbeit noch zu retten? Wie wirkt sich das auf das heurige Festival aus? Stehen dadurch Preise oder Programmschienen vor dem Aus?

Nach 11 Jahren sehr guter Zusammenarbeit mit A1 haben wir trotz der wirtschaftlich turbulenten Zeiten nicht mit einem völligen Ausstieg gerechnet. Natürlich hatten wir zuerst die Hoffnung, dass es zumindest eine eingeschränkte Fortführung der Partnerschaft geben könnte, aber da die Entscheidung aufgrund einer Umstrukturierung bzw. Neuorientierung bei A1 fiel, gab es keine Möglichkeit.

Im Budget der Diagonale hinterlässt dieser Ausfall eine ziemliche Lücke und zeigt vor allem auch, wie instabil unsere Finanzierungssituation ist. Wir waren gezwungen, auf einige geplante Programmteile und Sonderprogramme zu verzichten und müssen auch insgesamt einen strengen Sparkurs verfolgen. Da A1 allerdings keine Preise stiftet, sind für das nächste Festival zumindest die Auszeichnungen für die Filmschaffenden sichergestellt.


Kann sich die Diagonale jetzt noch leisten ein grünes Festival zu sein oder wird die ökologische Nachhaltigkeit jetzt zum Kollateralschaden der Finanzkrise?

Die ökologische Nachhaltigkeit ist nach wie vor ein sehr positiver Faktor des Festivals. Viele kleine, aber auch einige größere Maßnahmen sind mit einem knappen Budget durchführbar. Darüber hinaus hat uns die Maßnahme „Diagonale Goes Green“ auch den Kontakt zu einigen neuen Partnern, die damit auch ihre gesellschaftliche Verantwortung demonstrieren, ermöglicht. Nachhaltigkeit bleibt also ganz eindeutig Teil unserer allgemeinen Festivalstrategie und ein wichtiger noch dazu.

Vor welchen Herausforderungen steht der österreichische Film und seine Festivallandschaft durch den Rückzug großer Sponsoren und durch Sparpakete absehbar schrumpfenden Förderungsbudgets?

Die Situation ist im Moment für alle hart, weil eine längerfristige und auch inhaltlich nachhaltige Planung durch die sinkenden Budgets schwierig bis unmöglich wird. Was die Diagonale betrifft, kann man die Situation relativ einfach auf den Punkt bringen: Sponsoren sind ein zentraler, aber auch ein instabiler Teil der Festivalfinanzierung. Eine sichere Arbeitsbasis kann nur durch öffentliche Förderungen sichergestellt werden. Sollten die Budgets weiterhin sinken bzw. nicht zumindest eine Indexanpassung möglich sein, stellt sich die Frage, wie man in Zukunft mit dem Auftrag umgehen kann, das österreichische Filmschaffen möglichst breit zu repräsentieren. Das wird uns während der nächsten Monate beschäftigen und es erscheint mehr als paradox, dass wir uns diese Frage zu einem Zeitpunkt stellen müssen, an dem nicht nur der österreichische Film, sondern auch die Diagonale so erfolgreich sind.

Diagonale – Festival des österreichischen Films

22. – 27. März 2012

diverse Locations, Graz

www.diagonale.at

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