Stadtplanung und Stadtpsychologie

Da steht ein sprichwörtlicher Elefant in unserer Mitte und wartet dringend darauf, angesprochen zu werden: Ich hab Angst. Du hast Angst. Die ganze Stadt hat Angst.

Aus Sicht der Stadtentwicklung bedeutet die Beseitigung von Angsträumen in erster Linie weniger Vandalismus, Verschmutzung und Kriminalität. Ein Beispiel, dass dies nicht immer ein leichtes Unterfangen ist, stellt die Flex-Stiege bei der Augartenbrücke dar. Von Razzias über Beleuchtungsversuche bis zur Regulierung des Außenbereichs durch den Clubbetreiber wurde bereits vieles versucht, um dort Dealer zu vertreiben, mit allseits bekanntem Erfolg.

Glas und Licht

Durch ihre ständige Fluktuation ist die Identifikation und Beseitigung von Angsträumen für Stadt und Behörden eine Sisyphosaufgabe, deren Effekt sich in erster Linie auf die gefühlte Sicherheit auswirkt. Dieses Gefühl der Sicherheit wird nur bedingt durch Überwachung und Exekutive erzeugt, sondern durch bauliche Maßnahmen, die den Räumen Übersicht und Transparenz zurückgeben sollen, um sie architektonisch als auch sozial wieder zu öffnen. Dies kann ein simples Entfernen von wucherndem Grün sein, oder das Ersetzen von Beton durch Glas und vor allen Dingen die richtige Beleuchtung.

Schörghofer erklärt Angsträume mit dem drohenden »Verlust von Kontrolle«, die den Personen jedoch künstlich zurückgegeben werden kann und nennt als Beispiel die Passage zum Wiener Karlsplatz, der vor ein paar Jahren noch Drogenumschlagplatz Nummer eins war und heute bedenkenlos benutzt werden kann. Dass die Drogenkriminalität und somit der Angstraum sich dadurch nur an andere Orte der Stadt verschoben hat, ist dabei subjektiv und auch politisch erstmal zweitrangig.

No Brooklyn in Innsbrooklyn

Wien und auch die meisten anderen österreichischen Städte sind hierfür eigentlich schlechte Beispiele, da das Sicherheitsgefühl generell hoch ist im Vergleich zu Ballungsräumen, welche mit Vierteln und Situationen zurechtkommen müssen, die man am Besten ganz meidet. Kontrollverlust seitens Behörden und Exekutive existiert quasi nicht.

Aus Sicht von Angstpatienten ist dies jedoch nur ein kleiner Trost, denn es braucht keine reale Bedrohung, um eine Angstreaktion hervorzurufen. Angststörungen und damit verbundene Panikattacken können aus jeder Situation blitzschnell eine Angstsituation werden lassen und ihre Patienten in einen unerträglichen Zustand der Erregung versetzen, auch ohne erkennbare Ursache. Das Wissen, dass es keine unmittelbare Gefahr gibt, hilft in diesen Zuständen nichts mehr. Im Gegenteil: die Irrationalität des Verhaltens verstärkt die Angst vor der Angst nur noch mehr und zwingt Angstpatienten, Angstsituationen generell großflächig zu umgehen.

Das kann heißen: keine U-Bahn, keine Clubs, keine Konzerte und schon gar keine öffentlichen Events, aber auch, dass man sich beispielsweise überhaupt nicht mehr auf die Straße traut. Wo gesunde Menschen Angsträumen und erlernten Ängsten mit »einem gesunden Fatalismus« begegnen können, wie Schörghofer die natürlich vernünftige Abwehr gegen die Furcht nennt, hilft für Angstpatienten oft nur Flucht und Rückzug. Dass im Durchschnitt jedem Dritten in seinem Leben eine Panikattacke widerfährt, beweist allerdings, wie relevant das Thema ist. Ein erster Schritt wäre es, einen offenen Dialog über Angstgefühle zu führen, ohne in eine Dialektik der Bedrohung zu verfallen.

Auch Sarah hat Angst vor der Angst

Josef Schörghofer weiß aus seinem Berufsalltag, dass Angst, besonders in ihren irrationalen Ausformungen, gesellschaftlich oft belächelt, wenn nicht sogar als Schwäche angesehen und tabuisiert wird. Wer Angst hat, funktioniert nicht, kann mit dem Fluss der Stadt nicht mithalten, ist »Mängelexemplar«. So zumindest in den Worten von Moderatorin und Autorin Sarah Kuttner in ihrem (semibiografischen) gleichnamigen Debütroman 2009.

Die Kultur führt bereits den Diskurs über die Angst in unserer Mitte, um zumindest den sozialen Leidensdruck zu bekämpfen. Die Relevanz ist offensichtlich, wird aber oft nachrangig behandelt. Oder verwandelt sie sich nur? Xenophobie wird zum Hassposting? Sicherheitsbedenken zur Überwachung? Kontrollverlust zum politischen Instrument? Der Gedanke alleine macht Angst.

Mit Josef Schörghofer zu reden, ist generell eine sehr angenehme Angelegenheit. Als Koordinator des Krisentelefons ist er und das Team der Psychosozialen Dienste Wien unter der Notrufnummer (01) 31 330 errreichbar.

Bild(er) © M – Eine Stadt sucht einen Mörder
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