»›Muschi‹ und ›Arschficken‹ würde ich auf der Bühne nicht sagen« – Stand-up-Comedian Erika Ratcliff im Interview

Das Wiener Traditionscafé Hegelhof ist für Erika Ratcliffe ein vertrauter Ort. Hier kehrte die 25-Jährige während ihrer Schulzeit regelmäßig ein. »Zum Schwänzen natürlich«, wie sie erzählt. Mittlerweile lebt Ratcliffe seit zwei Jahren in Berlin und hat sich in der kurzen Zeit in der deutschen Comedy-Szene einen Namen gemacht.

Auf der Bühne stellst du dich als halb Österreicherin mit jüdischem Vater und halb Japanerin mit japanischer, rassistischer Mutter vor. Kulturen mit großen Humortraditionen … 

Ich würde meinen Humor jedenfalls nicht als jüdisch bezeichnen, weil ich bin echt nicht jüdisch aufgewachsen. Am meisten ist mein Humor wohl österreichisch geprägt – durch Freunde und vor allem durch das Kabarett. 

Kannst du uns trotzdem einen kurzen Crashkurs in Sachen japanischer Humor geben?

Japanischer Humor ist extrem absurd. Vor allem in der Comedy, die gepflegt wird. Die eigene Person wird dabei absolut nicht ernst genommen und extrem und lustvoll zerstört. In den Stand-ups kommt vor allem viel Verrücktes und Absurdes vor, das mit verschiedenen Stimmen vermittelt wird. 

Das ist jetzt aber schon als deutliche Tendenz in deinen eigenen Stand-ups bemerkbar. 

Ja, ja, ja! 

Voriges Jahr hast du die Jury beim Grazer Kleinstkunstvogel überzeugt. In der Begründung hieß es: »Sie geht mit ihrer Stand-up nach US-Format dorthin, wo es weh tut: Rassismus, Hardcore-Feminismus und Vaginalpilz. Ratcliffe kennt kein Tabu und findet genau in dieser Hemmungslosigkeit ihre ganz eigene Stimme.« Wie sehr prägt dich US-Comedy?

Extrem. Ich schau fast jeden Tag Stand-up-Comedy auf Netflix. Die Specials kenne ich fast alle auswendig. Man muss allerdings aufpassen und darf das vor seinen eigenen Auftritten nicht anschauen, sonst redest du plötzlich so wie deine Vorbilder. Und das ist peinlich …

Und wie schaut es mit Tabus aus? Kennst du wirklich keine?

Ja, es gibt schon Themen, über die ich nicht reden würde. Wie wenn Weiße über Schwarze reden. Das ist eine natürliche Grenze, vor allem auch, weil es nicht witzig ist. Außerdem gibt es ein paar Wörter, die ich nicht gerne in den Mund nehme. »Muschi« und »Arschficken« würde ich auf der Bühne nicht sagen. Aber es ist kein Tabu, sondern eher eine Frage des Stils. 

The-Gap-Redakteur Manfred Gram im Gespräch mit Erika Ratcliffe © Jana Sabo

Die Comedy-Szene ist doch sehr männlich dominiert. Wie kämpfst du dich als Feministin durch diesen Betrieb? 

Comedy ist definitiv eine Männerdomäne. Wenn man nach Auftritten gemeinsam abhängt, wird aber rigoros jeder zerlegt und verarscht. Dabei ist das Geschlecht absolut nebensächlich. Hauptsache lustig. Die meisten Erfahrungen, die ich gemacht hab, waren aber extrem gut. In der deutschen Szene, die größer als die österreichische ist, gibt es aber schon vereinzelt Exemplare, die glauben, dass sie wegen ein bisschen Erfolg überall reinkommen – also in jede Frau. Dadurch, dass die deutsche Szene größer ist, gibt es dort auch größere Arschlöcher.

Arschlöcher gibt es immer auch im Publikum. Wird man als Frau auf der Bühne eigentlich öfters geheckelt als Männer?

Das weiß ich nicht. Ich habe das Gefühl, dass Frauen eher von Männern und Männer eher von Frauen geheckelt werden. Aber dazu gibt es leider keine Studien. Was ich mit Sicherheit weiß: Sobald du konterst, hast du immer das Publikum auf deiner Seite. Niemand wird den Heckler unterstützen. Man kann den also sehr leicht fertig machen. 

Wie hältst du es eigentlich mit der Grenze zwischen Kabarett und Comedy? Gibt es die überhaupt noch?

Ich hab das Gefühl, das verschwimmt. Und ich glaube, das ist für die Altkabarettisten ein bisschen bitter. Die erfinden ja gerne Figuren und mögen dieses Theatralische sehr. Auf Netflix wird es jedenfalls wohl nicht so schnell ein Kabarett-Special geben.

Figuren erfinden – würde dich das reizen? 

Ich finde Stand-up so schon schwierig
genug. 

Und andere Medien als die Bühne? 

Ja, das interessiert mich schon eher. Ich mach gerade einen Kurzfilm fertig und entwickle eine Web-Serie. 

Worum wird es da gehen?

Über die Web-Serie darf ich leider noch nicht sprechen. Das ist ein Pilot für einen TV-Sender. Aber im Kurzfilm geht es natürlich um mich und wie ich in Berlin Comedy mache. Und um Depressionen. Es wird zwar eh niemand sehen, aber ich mache es.

Erika Ratcliffe tritt demnächst gemeinsam mit Christoph Fritz im Kabarett Niedermair auf. Die Termine für ihr gemeinsames Programm »Jung und schonungslos«: 13. Oktober, 16. November und 8. Dezember 2018.

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