Stefanie Sargnagel und Voodoo Jürgens haben der heimischen Kulturszene in den letzten Jahren einen deutlichen Stempel aufgedrückt. Jetzt stehen sie mit ihren Kunstfiguren auch noch vor der Filmkamera. Wir haben mit den beiden über Schauspiel-Crashkurse, die Vorzüge der Dreharbeiten sowie ihre Filme »Sargnagel« und »Another Coin for the Merry-go-round« gesprochen.
Natürlich ist es semioriginell, Voodoo Jürgens für einen Interview- und Fototermin in den Prater zu bitten. Seit er vor fünf Jahren mit dem Song »Heite grob ma Tote aus« die Popkulturszene enterte, ist die Kunstfigur, die David Öllerer mit Leben füllt, eng mit dem Wiener Vergnügungspark verknüpft. Nicht selten als Teil der Inszenierung. Und auch Stefanie Sargnagel könnte man für Gespräche woanders hinlotsen und sich im Vorfeld was Gewitzteres überlegen. Mögliche Orte dafür finden sich in ihren Büchern wie »Binge Living«, »Fitness« oder zuletzt »Dicht«.
Aber was soll’s. Während der Vorbereitungen zu unserer Diagonale-Berichterstattung ist noch immer Lockdown und alles hat zu. Natürlich auch der Prater. Aber der hat auch geschlossen eine Art kaputten Charme und gewährt dabei einen Blick in die Abgründe der Wiener Seele. Als gemeinsamer Nenner zwischen den beiden geht er also schon durch. Sind doch Blicke in Abgründe weder der Autorin Sargnagel noch dem Musiker Voodoo Jürgens fremd, wenn sie präzise und pointiert ihre Beobachtungen zu Texten verarbeiten. Das hat schon öfters in gemeinsamen Projekten gemündet. Etwa der Theaterproduktion »Ja, eh! Beisl, Bier und Bachmannpreis« im Rabenhof. Zu den Texten von Sargnagel lieferte Voodoo Jürgens damals die musikalische Gestaltung.
Zuletzt kreuzten sich die Wege der beiden für den Kinofilm »Sargnagel«. In dem spielt sich die Autorin selbst und Voodoo Jürgens, der im Film auch ein paar kleine Auftritte absolviert, komponierte die Musik dazu.
Übrigens nicht das einzige Filmprojekt von Voodoo Jürgens: Er stand auch für das Coming-of-Age-Indie-Drama »Another Coin for the Merry-go-round« vor der Kamera. Zwei Bühnenmenschen, die als Schauspieler*innen vor der Kamera landen. Wieder so eine Gemeinsamkeit.
Sargnagel und Jürgens verspäten sich übrigens leicht. Bei Sargnagel hängt die U-Bahn fest. Und bei Voodoo Jürgens dauerte der Tätowiertermin ein wenig länger. Zu fragen, was und wo gepeckt wurde, wäre durchaus angebracht gewesen. Allein, diese Chance wurde verpasst. Deswegen startet das Interview jetzt so:
Steffi, Voodoo – eure beiden Kunst- und Bühnenfiguren haben ja einiges gemeinsam. Ganz banal vorneweg: Wo habt ihr euch eigentlich kennengelernt?
Stefanie Sargnagel: So genau kann ich das gar nicht mehr sagen. Der Herr Voodoo war jemand, vom dem ich beim Fortgehen immer schon das G’sicht kannte. Außerdem gibt es sehr viele gemeinsame Freunde und Bekannte. Ich würde sagen, es war vorm Flex oder in der Abendschule.
Voodoo Jürgens: Ich glaube auch, dass unser Kennenlernen eine Mischung aus gemeinsamen Freunden, Flex und Abendschule war.
Nur zur Sicherheit: »Abendschule« ist nicht der Name irgendeines Beisls, das man kennen sollte …
Sargnagel: Nein, damit ist schon die einzige öffentliche Wiener Abendschule am Henriettenplatz gemeint. Dort haben viele Leute, die keine reguläre Schulkarriere gemacht haben, eine Zwischenstation eingelegt. Aber ich weiß gar nicht, ob wir da schon so viel miteinander zu tun gehabt haben …
Voodoo: Nicht wirklich. Aber wir sind halt beide oft draußen gesessen und haben Bier getrunken.
Mittlerweile arbeitet ihr immer wieder bei Projekten zusammen. Wie jetzt zum Beispiel beim Film »Sargnagel«. Steffi, stimmt es, dass du gar nicht so glücklich darüber warst, dass dein Buch und dein Leben verfilmt werden sollten?
Sargnagel: Ich glaubte eigentlich gar nicht mehr an die Zusage für die Filmförderung bei diesem Projekt. Als die dann kam, war der Zeitpunkt nicht ideal. Ich hatte gerade urviel zu tun und wollte mich damals auch nicht unbedingt exponieren und auf einer Leinwand sehen. Deswegen war ich im ersten Moment eher ein bisschen schockiert, als ich erfahren habe, dass der Film »Sargnagel« gemacht wird.
Die Verfilmung deiner Bücher war also schon länger ein Thema?
Sargnagel: Ja. Es gab recht bald Interesse an den Filmrechten zu »Fitness« und »Statusmeldungen«. Dabei stand auch anfangs immer schon im Raum, dass ich mich darin selbst spielen sollte. Nur scheiterten die Probeaufnahmen, die man mit mir machte, und so wurde ein Spielfilmkonzept entwickelt. Das man allerdings wieder verwarf und zu einer Mockumentary umschrieb, als man merkte, dass das Interesse bei den Förderstellen größer ist, wenn ich selbst mitspielen würde. Es war eigentlich tatsächlich ein bisschen so, wie es in der Dokumödie thematisiert wird.
Hattest du eigentlich als Autorin der Vorlage Einfluss aufs Drehbuch?
Sargnagel: Nicht wirklich. Mir wurde das Drehbuch zwar immer wieder zum Gegenlesen gegeben, aber ich hab einfach keine Erfahrung mit Film und Drehbuch-Schreiben und mir schwer getan, irgendwie eine Art von Feedback zu geben. Manche Szenen fand ich beim Lesen gelungener als andere, aber ich konnte mir nur schwer vorstellen, wie’s dann im Film wird. Aber wenn mir Dinge nicht so vom Mund gegangen sind, durfte ich’s spontan ein wenig abändern.
Gibt es Lieblingsszenen im fertigen Film?
Sargnagel: Ja, die Szenen, die sich an den Monologen orientieren, die mein Ex-Freund Witzmann immer gehalten hat. Sie sind eine Hommage und gleichzeitig der Realität am nächsten. Sie haben zudem eine gewisse Melancholie und ich mag ja tragisch-komische Sachen. Wird’s zu klamaukig, find ich Dinge nicht mehr witzig.
Und sonst? Glücklich mit der Sargnagel, die jetzt auf der Leinwand zu sehen ist?
Sargnagel: Ja. Es fügt sich alles schön zusammen. Auch wenn ich die komplette Kontrolle über meine Kunstfigur für den Film abgegeben habe. Aber so gibt es jetzt eben eine neue Sargnagel, eine, wie sie vom Regie- und Drehbuchduo Sabine Hiebler und Gerhard Ertl gesehen wird. Ein bisschen eine Boomer-Version von mir … Nein! War nur Spaß.
Da konntest du wahrscheinlich beim Komponieren der Filmmusik ein wenig freier an die Sache rangehen, Voodoo?
Voodoo: Es war jedenfalls eine ganz andere und neue Herausforderung, die ich sehr spannend gefunden habe, weil es von dem, was ich hauptsächlich mache, weggeht. Ich erzähle in meinen Texten ja immer Geschichten, die dann mit mir relativ viel zu tun haben. Das war bei diesem Projekt nicht gefragt. Es ging mehr darum, Stimmung in die Szenen reinzubringen. Und es hat mich gereizt, so etwas einmal zu tun.
Und wie war es mit der Schauspielerei? Du spielst ja im Film »Sargnagel« auch eine kleine Rolle …
Voodoo: Es ist ein Glück gewesen, dass ich mich selbst spielen durfte. Da kann man nicht so viel verhauen. Es ist sicher einfacher, als einen Charakter zu spielen, der jetzt mit einem selbst wenig zu tun hat.
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