Vor einigen Wochen bekam The Gap ein E-Bike zum Testen. Als überzeugter Anti-Fitness-Anhänger wagte Stefan Niederwieser den Selbsttest. Wird Radfahren mit dem E-Bike erträglich?
Als sich der Elektromotor zum ersten Mal einmischt, muss ich wie ein kleines Kind grinsen. So fühlt sich also Zukunft an. Ungefähr so muss es Leuten gegangen sein, als sie zum ersten Mal in einen Ballon gestiegen sind, einen Walkman ausgetestet haben, einen Segway gefahren haben. Die Technik macht da etwas mit dem eigenen Körper, das man kontrollieren kann und ihm gleichzeitig ausgeliefert ist. Die erste Gefühlssensation durch das E-Bike ist da durchaus ähnlich. Es geht ein Faszination von diesem Ding aus. Und dass Emotionen nicht das schlechteste Kaufargument sind, beweisen täglich immer neue Werbungen für Autos oder Duschgels. Ein E-Bike kann das auch. Dazu kommt noch das gute Gewissen: ein E-Bike läuft ausschließlich mit Muskelkraft und Strom.
Später trete ich die Hofmühlgasse in Wien hoch, den Motor auf der höchsten Stufe – nebenan keuchen andere Sesselkleber die Straße hoch, während ich mit kleinen Stupsern in die Pedale mühelos mit den Autos mithalten kann. Das E-Bike funktioniert eigentlich einfach. Wenn man den Elektromotor eines E-Bikes ausmacht, dann ist es immer noch ein brandneues (Test-)Fahrrad mit gut geschmierten Ketten, mit 21 Gängen, es ist in Schuss und dementsprechend leicht zu steuern. Keine weichen Reifen, kein Achter in den Rädern, keine schleifenden Einzelteile stören das Fahrvergnügen. Das Rad ist nur recht schwer. Am Rahmen ist eine mittelgroße Batterie befestigt, die man in vier Stufen zuschalten kann. Auf Stufe Eins hilft der Akku nur unmerklich beim Treten – ganz besonders unmerklich beim Bergauffahren. Auf Stufe Vier zieht der Motor ordentlich Saft ab und übersetzt ihn auf das Hinterrad. Das Bike fährt fast von alleine. Ein Tritt in die Pedale gibt der Maschine zu verstehen: mach jetzt du.
Tempo!
Im Praxistest geht es abends aus dem Sechsten Wiener Bezirk ins Fluc. Erste Erkenntnis: Die Radwege für dieses E-Bike müssen in Wien erst noch gebaut werden. Das Geschlängel des schmalen Radwegs am Ring ist unerträglich, Schilder unübersichtlich angebracht, Ampeln und Gegenverkehr teilweise spät zu sehen. Das E-Bike ist für solche Verhältnisse einfach zu schnell. Weitere Erkenntnis: Je nachdem, wie es nützt, betrachten sich Radfahrer mal als Fußgänger, als Auto oder gleich Polizei mit Blaulicht. Ein Ausritt mit dem Fahrrad ist kein Kindergeburtstag und die Verkehrsregeln gelten so, wie sie gerade genehm sind. Schnell gewöhnt man sich daran, dem Rudel zu folgen, und etwa kurz links und rechts zu schauen und dann bei Rot zu fahren.
Beim Fluc will dann jeder Freund mal kurz, jeder verschwindet in der Unterführung und kommt fröhlicher zurück, als er weggefahren ist. Mit leichtem Pegel – „Alles noch in legaler Reichweite, Herr Kommissar!“ – geht es zurück heim. Weiteres Learning bei diesem Praxistest: Mit Damenspitz paddelt es sich deutlich leichter. Geparkt wird das Bike vorläufig am Hausgang. Die Batterie lässt sich abnehmen und mit Ladegerät über Nacht laden. Der große Vorteil zu E-Mofas und anderen Elektromobilen: Das E-Bike braucht keine zusätzliche Infrastruktur. Es wird verstaut, wo schon andere Räder verstaut werden. Der Stellplatz braucht kein neues Stromnetz oder Buchse. Und ja, das E-Bike funktioniert auch ohne Strom und muss, wenn der Saft aus ist, nicht abgeschleppt werden.
Schweiß und Tränen
Tags drauf geht es flockig ins Büro von The Gap, abends dann hoch in Richtung Steinhof. Wo einer der wenigen Nachteile eines E-Bikes (außer dem Preis) zu Tage kommt: wenn man vergisst den Akku anzuhängen, muss man die mehr als 20 Kilo Fahrrad selbst bewegen. Die negativen Seiten des Radelns machen sich bemerkbar: erhöhter Puls, Schweiß, Anstrengung, Spannung in den Muskeln – der ganze Fitness-Blödsinn. Beim Zurückrollen den Abhang hinunter wird gebremst, was der Berg hergibt. Immerhin soll dadurch die Batterie wieder aufgeladen werden. Der Effekt ist nicht der Rede wert. Noch eine kleine Schwäche des E-Bikes: Der Motor schaltet sich schon mal einigermaßen abrupt dazu. Auf höchster Stufe kann es sein, dass man gleich nach dem Lostreten wieder in die Bremsen steigen muss, weil man sonst dem Vordermann in die Speichen fährt.
Die Langzeitfolgen eines E-Bikes konnte in knappen drei Tagen natürlich nicht getestet werden. Was, wenn die Batterie schwächer wird? Was, wenn die Batterie nicht umweltfreundlich zu recyclen ist? Was, wenn das High-Tech-System gewartet oder gar repariert werden muss? Was, wenn über 2000.- Euro Anschaffungskosten nicht von Papa bezahlt werden? Und was, wenn das Radfahren mit dem E-Bike sogar dauerhaft Spaß macht?
Die Welt On Bike ist Off Line
Anderswo, in Berlin etwa, sind die Straßen voll von Radwegen, die Öffi-Netz deutlich schlechter als in Wien, und das Radfahren ist dort eine heilige Pflicht im Nachhaltigkeits-Milieu. Wien bietet für E-Bikes weniger günstige Voraussetzungen, scheint aber dennoch ein logischer Schritt zur urbanen Elektromobilität. Ladekapazität, leichte Bauweise, Energieeffizienz – das E-Bike steckt eigentlich noch in den Kinderschuhen, wirkt hier aber schon hoch entwickelt, wie ein Gadget, mit dem man Bekannte wie steinzeitliche CO2-Bigfoots aussehen lassen kann. Man kann damit von A nach B ohne große Anstrengung kommen und handelt dabei auch noch ökologisch.
Aber: Ein E-Bike hat einen entscheidenden, gravierenden Nachteil, wegen dem es nie mit öffentlichen Verkehrsmitteln mithalten kann. Nicht etwa, weil man in Öffis auf allerlei nette und schrullige Menschen trifft, die man sonst nicht treffen würde, oder weil die Öffentlichen in Summe so energieeffizient sind, wie das der Individualverkehr nie sein kann. Nein, der größte Nachteil des E-Bikes: auf dem Rad kann man nicht online sein! Twitter, Standard, Mails und The Gapsite Mobile können nicht abgerufen werden. Die Zeit auf einem Fahrrad ist tote Zeit! Wer sich nun allerdings unbedingt einbilden möchte, kostbare Lebenszeit offline auf einem Individual-Transportmittel verbringen zu müssen, tut das in Zukunft bitte auf einem E-Bike.