Wanda sind immer noch die Band der Stunde. Fünf Monate nach Veröffentlichung ist "Amore" immer noch in den Top 40, mittlerweile endlich auch in den Top 10. Wir haben mit Sänger Marco Michael Wanda über alles geredet. Wirklich alles.
Oh, Taborstraße, du unbekanntes und launisches Wesen. Am Anfang, da beim Kanal, flößt dir der Donauzweig sanfte Gentrifikation ein. Dann, nach der nach dir benannten U-Bahn-Station, entwickelst du dich zum Boulevard of Broken Dreams, wo man an der Ecke hinter schwerem rotem Samt billig Sex bekommt. Die Beisl haben mit den hippen Burger-Buden am Donaukanal wenig gemein, hier trifft sich die Hautevolee der Bier-Philosophen und Memphis-Raucher.
In einem dieser Beisl steht der Interviewtermin mit einem der – man kann es ruhig so sagen – aufstrebendsten Stars der heimischen Popmusik an: Marco Michael Wanda. Er trägt zerrissene braune enge Jeans, braune Suede-Chelsea-Boots, dazu weißes Hemd und schwarze Kapuzenjacke. Schön wie die Sünde.
Im Lokal – heute gibt es Reisfleisch – kennt man sich, Marco geleitet einen zielsicher an den hintersten Tisch, der von einer Hawaii-Dekoration umschmeichelt wird. Es wird geraucht, geredet, und geredet, und geredet. Über alles. Über den Erfolg, das nächste Album, die Anfangszeit. Und: Was überhaupt nicht geht, nämlich eine Aktion der Neos. Man darf verraten: Es gibt einige Details, die man so über Wanda noch nicht gewusst hat.
Erst mal: Gratulation, dass das "Bologna"-Video die 1-Million-Views-Marke geknackt hat.
Das ist nett, danke schön!
Ihr seid die letzten Tage mit Kraftklub auf Tour gewesen. Wie war es denn so?
Es war toll, wir wurden sehr freundschaftlich empfangen. Was wir nicht wussten: Diese Szene hat ein irrsinniges Auge für unsere Szene. Ich hab dann gleich gehört, wie toll der Nino, Bilderbuch und Ja, Panik sind. Wir haben auch so deutsche Showgeschäft-Größen wie den Casper kennengelernt, der mir eine Stunde lang erklärt hat, wie toll wir sind. Ich wollte ständig ein Gegenkompliment anbringen, hatte aber keine Chance. Wir haben auch viel gelernt. Das war ein großes Team mit 60 Leuten. Fast alles Freunde aus Chemnitz aus ihrer Jugendzeit, also eine irrsinnig am Boden gebliebene Gruppe, eine schöne Stimmung. Und ein Teil dessen gewesen zu sein, war sehr nett. Wir sind jetzt doch zwei Wochen mit denen unterwegs gewesen, haben ein gemeinsames Leben gelebt und uns sehr gut verstanden. Und das Publikum hat sehr positiv reagiert. Das waren in Wahrheit größtenteils Teenies, 17- bis 20-Jährige, aber wir sind gut angekommen.
Hat man gemerkt, dass da ein paar Leute wegen euch gekommen sind?
Ja. Immer so ein paar hundert bis tausend Leute waren wegen uns da.
Wie groß waren die Hallen denn?
Von 6.000 bis 11.000, also richtig geile Rockscheiße. Am größten war’s in Stuttgart.
Kannst du dich in Wien noch frei bewegen oder wirst du ständig auf der Straße angesprochen? Ist da ein Star-Rummel bemerkbar?
Ich werde schon erkannt, es ist aber alles höflich. Man bedankt sich bei mir. Warum auch immer. Ein paar Mal ist es mir passiert, dass sich Fenster öffnen und Joints rausfliegen, was auch sehr nett ist.
Die Kellnerin bringt Bier und Almdudler. Wir mischen unsere Radler selbst.
Es ist okay, es ist kein übermäßiger Ruhm, keine übergreifende Popularität. Bis jetzt ist noch nie etwas Schlimmes passiert. Es waren nur Fotos für Verwandte oder so. Ich kann auch gut ausstrahlen, wenn es mir zu weit geht.
Das sind dann eher Teenies?
Nein, überhaupt nicht. Was ich interessant finde: Unser Publikum ist eher älter, zumindest die, die mit mir quatschen. Auf unseren Konzerten haben wir von 6- bis 70-Jährigen alles. Ich find’s irgendwie schön, dass wir noch kein Teenie-Phänomen sind.
Woran könnte das liegen, dass es größtenteils Ältere sind?
Naja, dass wir in Österreich schon so eine Sehnsucht nach dem Austropop bedienen, denk ich. Und unsere Texte sind schon eher Erwachsenenthemen, als Pubertierendenthemen.
Weil du es ansprichst: Ihr seid euch in Interviews nicht immer einig, wie ihr mit dem Begriff Austropop umgehen sollt. Ist es mittlerweile mehr Segen oder mehr Fluch, in dieser Schublade zu stecken?
Es ist langweilig. Dadurch eher mehr Fluch. Aber mir geht’s nicht am Oasch oder so. Ich hab jetzt mal drüber nachgedacht, weil das alles so schnell ging – mittlerweile hab ich eine klare Haltung. Ich glaube nicht, dass wir Austropop sind, weil das eine geschlossene Ära ist, auch nie eine Musikrichtung war. Austropop ist anglo-amerikanischer Rock ’n‘ Roll mit deutschen Texten, das kann man nicht mal zur Musikrichtung erheben. Wir machen Rockmusik.
Ihr seid jetzt in den Top 10 der ganz offiziellen Albumcharts, hattet den Song des Jahres auf FM4, Artikel in der Kronen Zeitung und sonst überall. Wann war so für dich der Zeitpunkt, an dem du dir gedacht hast: "Jetzt haben wir’s geschafft, jetzt sind wir groß"?
Eigentlich gestern in der Früh, als wir beim Ö3-Wecker waren. Da hab ich mir gedacht: "Okay, was ist jetzt los? Das heißt schon was." Sie spielen uns jetzt in Rotation und haben auch gemeint, wir kommen sehr gut in ihren Umfragen an. Ö3 ist ja schon der Jackpot.
Und wie scheiße ist Ö3 wirklich?
Ich hab mich nie über Ö3 geärgert, weil ich wusste, das ist ein historischer Apparat. Die haben halt ihrer Linie getreu einen internen Handlungsauftrag und dass wir da als Indie-Band nicht hingepasst haben war mir schon klar. Ich find’s aber völlig okay, dass sie es jetzt spielen. Jetzt, wo es doch Richtung Mainstream geht. Das passt schon. Ich find Ö3 jetzt doch relativ sympathisch. Wir wurden sehr herzlich empfangen.
Sie spielen "Bologna"?
"Auseinander gehen ist schwer", und sie stellen es als unsere neue Single vor (Gelächter).
Das ist spannend, weil in Deutschland ja vor allem "Bologna" der Kick-off-Song war, während ihr in Österreich schon mit "Schickt mir die Post" und eben "Auseinandergehen ist schwer" weltberühmt gewesen seid. Warum ist dann ausgerechnet "Bologna" so in Deutschland abgegangen?
Ich glaub, die Deutschen finden das einfach irgendwie witzig. Sie haben eine irrsinnige Sehnsucht nach unbeschwertem Rock ’n‘ Roll, glaub ich. Weil sie so ein extrem intellektualisiertes Land sind und auf ihren Schultern lastet, ganz Europa zu richten, und sie wollen als Gesellschaft Vorbild sein. Ich glaub, wir bringen da einen sehr witzigen Teint rein, etwas Unverkrampftes, und das gefällt ihnen gut. Jetzt schauen wir, dass wir noch "Stehengelassene Weinflaschen" unterbringen – das wäre für uns perfekt. Weil wir finden, dass das Lied Kunst ist, irgendwie.
Das kommt ja auch als nächste Single im Rahmen des Record Store Day raus. Warum die B-Seite "So san die Leit"?
Zu "Stehengelassene Weinflaschen" wird es kein Video geben, es wird eine Radio-Single. Und "So san die Leit": weil wir finden, dass das nicht unbedingt ein schlechtes Lied ist. Wir hatten halt so viel übrig, wir können nicht alles aufs nächste Album tun. Wir haben so 50 Lieder noch im Kasten. Die müssen die ja irgendwo unterbringen.
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