Wanda sind immer noch die Band der Stunde. Fünf Monate nach Veröffentlichung ist "Amore" immer noch in den Top 40, mittlerweile endlich auch in den Top 10. Wir haben mit Sänger Marco Michael Wanda über alles geredet. Wirklich alles.
Mir fällt da eine Anekdote ein: Voriges Jahr beim Amadeus, war Maurice von Bilderbuch gar ein bisschen eingeschnappt, weil Mando Diao sich auch die Haare blond gefärbt hatten.
Arg. Bilderbuch kenn ich gar nicht. Wir haben uns nie getroffen.
Das ist spannend, weil ihr ja ständig in einem Atemzug genannt werdet, als Propontenen des "neuen Austropop". Aber ihr spielt in Oslip und am Nuke gemeinsam. Es war eigentlich mal angedacht, ein Doppelinterview zu machen mit dir und Maurice, aber es wurde als "strategischen Gründen" abgelehnt.
Das ist intelligent. Versteh ich gut. Ich muss ehrlich sagen, dass diese Gegenüberstellung so fruchtbar ist, das wird dann schnell langweilig.
Ihr werdet ja gerne als "Oasis und Blur des Austropop" bezeichnet.
Ja, so wollen es einige. Ich will das nicht. Aber wenn es passiert und gut für uns alle ist, ist das okay.
Ihr seid in dieser Konstellation dann eher Oasis, eher der Arbeiterklasse-Rock versus dem Kunstaspekt.
Genau, die sind eher die Tüftler.
Wie findest du eigentlich das Bilderbuch-Album?
Wir haben es auf Tour gehört, und es ist halt überhaupt nicht meine Musik. Ich hör so was halt gar nicht. Aber ich wünsch denen einfach alles Gute, weil das braucht es eben auch. Das gehört dazu. Das ist eine sehr moderne Musik. Ich glaube, es ist besser, wenn jemand diese Musik hört als einen homophoben Scheiß-Gangster-Rap aus Deutschland und da sind Bilderbuch eine schönes Gegenmodell.
Da gibt es auch nicht Neid, weil die gleich auf Platz 1 eingestiegen sind und ihr monatelang brauchtet, um in die Top 10 zu gelangen.
Mich freut’s, das passt voll. Weil wir sind vielleicht nicht auf 1, aber wir sind 19 Wochen in den Top 40 und sind jetzt Gold geworden. Ich glaub, das passt. Und das nächste Album geht ja sowieso auf Platz 1 in Deutschland und Österreich. Von dem her ist alles in Ordnung. Ich habe sogar mit einem deutschen Musikmanager gewettet, wo Bilderbuch einsteigen. Mein Tipp war 22 und jetzt sind sie auf 14. Er meinte 17, jetzt schulde ich ihm einen Whiskey.
Ich habe mit den The-Gap-Kollegen gewettet, dass ihr in Österreich in den Top 20 einsteigt.
Ja, hast ja voll geschafft (lacht). Aber nie hätte ich geglaubt, dass das Album fünf Monate nach Veröffentlichung auf 9 geht, Tendenz steigend. Das ist wirklich schräg. Ich glaub auch, dass Molden und Nino hoch einsteigen. Auf iTunes waren sie eine Woche Top 5. Ich fand auch sehr historisch: Auf Tour haben wir die österreichischen iTunes-Charts angeschaut. Auf 1 Bilderbuch, 2 Wanda, 3 Nino und Molden. Wir haben sogar einen Screenshot gemacht. Schon geil. Wann war der österreichische Indie jemals so gut?
Ist das noch Indie?
Jetzt wahrscheinlich nimmer. Es hat eine Indie-Struktur und eine Indie-Denkweise, aber es ist wahrscheinlich nicht mehr Indie.
Macht ihr Social Media eigentlich selbst?
Noch, ja. Mit dem Stefan gemeinsam, aber der braucht wohl bald einen Assistenten. Wir kriegen absurdeste Anfragen. In Deutschland haben wir mit einem Fan einen Heiratsantrag backstage gemacht, dann wollte vor kurzem eine Gruppe von uns, dass wir statt "Amore" "Allah" singen – war relativ bedrohlich. Es wird mittlerweile zu mühsam, das alles zu beantworten.
Habt ihr mittlerweile schon Merch? Oder immer noch nur den "Amore"-Beutel?
Es gibt diesen Beutel, wir haben auch "Amore"-T-Shirts. Ich glaub, da werden wir jetzt ein bisschen mehr machen müssen. Wir werden wahrscheinlich Text-Zeilen auf T-Shirts drucken, das ist am ehesten noch so etwas wie Kunst.
Welche wären dazu prädestiniert?
Ein Fan hat schon geschrieben, er würde sich einfach nur "Tante Ceccarelli" wünschen. Das find ich irrsinnig nett.
Diese Tante Ceccarelli gibt es auch nicht, oder?
Das ist die einzige Figur, die es gegeben hat. Ich hatte eine Tante namens Helene Ceccarelli. Eine Dame aus Bologna, die dann nach Deutschland gezogen ist und dort gestorben ist. Und die hat mir das Fenster zur Musik geöffnet. Sie hatte schwerste Arthritis und war eine ganze alte Frau, konnte überhaupt nicht mehr selber spielen, aber hat mich auf ihren Lauten und Mandolinen spielen lassen. Von dieser Frau hab ich Gitarrespielen gelernt. Die war tatsächlich in ihren Cousin verliebt, der an der Front im Zweiten Weltkrieg gestorben ist.
Also der Ich-Erzähler in "Bologna" ist die Tante selbst?
Nein, glaub ich nicht. Ich weiß es aber nicht. Der Text ist sogar mir zu kompliziert. Es ist unbewusster Scheiß. Ich weiß überhaupt nicht, worum es geht.
Ein Thema für die Deutsch-Matura!
Vielleicht, ja. Am ehesten geht es noch in dem Lied um ungelebte Sexualität. Es ist ein Gleichnis, eine Parabel. Weil in unserer Gesellschaft Sexualität relativ schludrig organisiert ist.
Wobei ja Beziehungen zu Cousins und Cousinen erlaubt sind.
Ja, eben! Das finde ich auch so interessant. Es gab auch einen gewissen Aufschrei – aber es ist erlaubt! Es ist ja auch überhaupt nichts Schlimmes. Aber auch da wäre es schön, wenn die Leute verstehen, dass Lieder und Texte Projektionsflächen sind. Weil das war mein Zugang zu Texten. Ich hab Schriftsteller nie beim Wort genommen.
Willst du eigentlich das Interview gegenlesen?
Ich hab gar kein Internet, das wäre dann eigentlich total mühsam. Ich glaub, ich muss mir bald eines zulegen. Es wird bald zu viel.
Also alles, was über euch geschrieben wird, bekommt ihr über Stefan Redelsteiner mit?
Genau. Der isst und schläft im Moment eigentlich gar nicht. Er hat mir mal seine E-Mail-Liste von einem einzigen Sonntag gezeigt. 150 Mails waren da, unglaublich.
Ihm ist eigentlich der Erfolg, den er mit euch hat, am meisten zu gönnen.
Ja, find ich auch. Ich bin sehr froh für ihn. Ich bin aber für viele sehr froh. Weil hinter diesem Wanda steht ja wirklich ein hübscher Menschenkreis. Von den Filmemachern, Produzenten, dem Paul Gallister, bis zu Verwandten und Freunden. Alle haben mitgeholfen.
Das zweite Album wird auch vom Paul Gallister produziert. Ihr meintet ja, ihr würdet nie mit einem anderen arbeiten wollen.
Ja, wir würden nie mit einem anderen arbeiten. Wir haben unseren George Martin gefunden. Er ist großartig, sehr engagiert und nimmt zur Zeit auch viel auf, macht viel für die Szene. Er ist halt ein studierter Komponist genauso wie ein Punk. Er hat sein Studio im Zweiten, in seinem Wohnzimmer. Er hat für die Conchita Wurst "Rise Like A Phoenix" orchestriert und bekommt jetzt seine erste Platin-Schallplatte. Jetzt hängt dann in Zukunft, wenn wir aufnehmen, die platinene Wurst über uns. Großartig.
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