The Sound of Plattentektonik

Wer denkt, dass es bei "Biophilia" nur um Sound geht, der irrt. Die Bühnenshows von Björk setzen neue Standards wie wir Pop abseits vom Internet inszenieren müssen: Die Viennale zeigt jetzt das Kino-Debüt der isländischen Sängerin als fesselnde Konzert-Doku.

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Björk hat ein bisschen etwas vom kleinen Prinzen. Man kann sie sich gut dabei vorstellen, wie sie irgendwo im Universum auf ihrem eigenen, kleinen Planeten steht und sich danach sehnt, jemandem ihre Welt zu zeigen. Diese Welt heißt "Biophilia" und ist eine Art multimedialer Mythos auf naturwissenschaftlicher Basis. Ein Medientheoretiker würde ihr achtes Album als "crossmedial" beschreiben. Man könnte aber auch sagen: Die isländische Sängerin hat über das "Konzeptalbum" hinausgedacht. Sie hat den Songs eine neue Darstellungsform und Sphäre gegeben, näher hingesehen und dabei einen Weitblick entwickelt, der weder Grenze noch Raum kennt.

Schon einmal zu einem Virus unter dem Mikroskop getanzt? Warum sitzen wir zu selten am Balkon, sehen uns diese hellen Punkte dort oben an und werden verrückt bei dem Gedanke, dass auch die Erde nur einer von ihnen ist? Björk hat keine Antwort auf irgendeine Frage. Sie ist für uns mit dem Universum verschmolzen um vorzuführen, wie fremd es uns nach wie vor ist. Ist das noch klassische Popmusik?

Farben hören, Rhythmen sehen

Natürlich ist es das – im weitesten Sinne. Der Urknall des kleinen Björk-Planeten war der Sound, der zunehmend auf andere Darstellungsformen übergeschwappt ist. Wenn man "Biophilia" mit einem Charakter beschreiben möchte, dann ist das weniger der Technikfreak, der sich zum Nachdenken in die Natur zurückzieht, sondern ganz klar ein Synästhetiker. Diese Menschen sind mit allen Sinnen aktiv. Sie können Farben hören und Formen fühlen oder sich Töne bzw. Rhythmen in verschiedenen Symbolen vorstellen. Bei einem Synästhetiker verschwimmt die Trennlinie zwischen Mathematik und Kunst, Realität und erweiterte Wahrnehmung. Björk schafft mit ihrem Gesamtkunstwerk "Biophilia" genau das. Diesen Zauber auf der Bühne, fernab von iPad und Hi-Fi Kopfhörer nicht verpuffen zu lassen, war wohl die größte Herausforderung.

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