Graz streitet sich selbst ins Aus

Statt keinem gibt es plötzlich zwei Springfestivals. Über eine österreichische Lösung. Oder: Wie man die führende Clubkultur Österreichs – die in Graz nämlich – richtig schön kaputt macht.

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Langsam aber sicher geht so ziemlich alles, was sich diese Stadt und ihre Clubszene im letzten Jahrzehnt aufgebaut hat, die Mur runter. Mussten in den letzten beiden Jahren eine Vielzahl renommierter Clubs temporär oder ganz zusperren, so gipfelt das nun in einer für Österreich unvergleichlichen Schlamm-, Gerichts- und Ideologienschlacht.

2003 war noch alles riesig

Doch alles von Anfang an. Graz machte innerhalb des letzten Jahrzehnts eine steile Entwicklung durch. Angeschoben von der Aufbruchstimmung im großen Kulturhauptstadtjahr 2003 entfaltete sich die Musik- und vor allem Clublandschaft in alle Richtungen prächtig. Das Elevate und das Springfestival wurden zu jährlichen Fixpunkten im Festivalkalender (beim Steirischen Herbst gabs auch oft sehr gute Musik), Locations wie der Dom Im Berg oder die Postgarage bauten sich österreichweit einen hervorragenden Ruf auf und nicht zuletzt das Niesenberger verlieh der gesamten Stadt einen Hauch von Underground-Credibility.

Während zu Pfingsten und Ende Oktober jedes Jahr rauschende Festivals veranstaltet wurden, kam aber durch verschiedene, meist schwer zu beeinflussende Faktoren langsam aber stetig Sand ins Getriebe. Die eine oder andere Location machte wegen Anrainerbeschwerden da zu und dort auf – Kombüse, SKA, Wakuum et al. Dies hinterließ anfangs noch wenig erkennbare Spuren außerhalb der Szene. Doch als letztes Jahr dem Parkhouse im Grazer Stadtpark temporär der Saft abgedreht wurde, lief das Fass über. Occupy Stadtpark wurde ins Leben gerufen um den „Bessergestellten“, die im Stadtpark gern ein Erholungsgebiet mit angeschlossenen Dachgeschosslofts gesehen hätten, entgegenzutreten. Selbst zurückhaltende, höfliche Menschen wie Günter Brodträger von der Postgarage meinte kürzlich: "Ganz klar, die Clubkultur in Graz wird abgewürgt." Fast zeitgleich schloss auch das Niesenberger, nach langem Überlebenskampf, seine Tore. Doch am Ende des Tages waren das summa summarum kleine bis mittelgroße Geschichten, bei denen im Hintergrund Vereinsstatuten, Anrainer oder Politik den Ausschlag gaben. Klar, heißt das nicht automatisch, dass die gesamte bestehende Clubszene um PPC, Dom und Postgarage per se kaputt ist, jedoch empfindliche Dämpfer und teilweise irreversible Schäden hinnehmen musste und noch immer muss.

Spring versus Spring

Doch gerade in den letzten Wochen begann die Fassade an einer ganz anderen, größeren und weit empfindlicheren Stelle zu bröckeln – dem Springfestival. Bei aller Kritik am Spring, war es dennoch einer der subkulturellen Leuchttürme der Stadt mit seinen wichtigen Workshop- und Conference-Parts. Vor gut einem Monat musste es Konkurs anmelden, mehr noch, es entstanden in den letzten Wochen Grabenkämpfe über die Konkursmasse, bestehende Bookings und Locationverträgen zwischen den beiden verbliebenen Parteien.

Während sich die eine Seite rund um Volker Plöchl und den langjährigen Programmchef des Springfestivals, Stefan Auer, den Namen sowie als Location die Postgarage gesichert hat, steht auf der anderen Seite ein Konsortium aus dem ehemaligen Gastronom des Springfestivals, Wolfgang Mally, Dietmar Tschelak, Geschäftsführer von Soundportal und dem PPC, und einigen anderen Personen mit einer handvoll Locationverträgen und Förderansuchen, die in die Hunderttausende gehen, in den Händen da. Die Menschen mit dem Geld, also den Förderungen und die Sponsoren, stehen irgendwie dazwischen. Dass sie in dem Chaos einfach ganz abspringen, ist eine echte Gefahr. Die Fronten sind verhärtet, es wird von Nachahmung und Schaden für die Szene gesprochen. Klar bei zwei anscheinend deckungsgleichen Veranstaltungen an einem Wochenende. Doch wem genau soll das helfen? Den Besuchern, die sich dann zwischen einem, beiden oder keinem entscheiden sollen? Den Veranstaltern, denen mit Sicherheit Publikum im Vorfeld, sowie vor Ort verloren gehen wird?

Eine Stadt, ein Tisch

Einzige Lösung für all das kann natürlich nur sein, dass wieder gemeinsam an einem Strang gezogen wird – Politik, Kulturschaffende, Medien! Zuletzt war man ja bei der Sammlung Essl erstaunt, was ein runder Tisch mit allen Beteiligten bewirken kann. Die vielen bürokratischen Steine müssen aus dem Weg geräumt werden, politische Querlereien abgestellt werden, und auch unter den Club- und Festivalbetreibern wieder ein gemeinsamer Wille und Ziel angesteuert werden. Und dies gilt letztlich auch für das Springfestival bzw. die Springfestivals. Jetzt ein paar Jahre dahinwurschtln, zweigleisig fahren und gegeneinander arbeiten fährt die Grazer Clubkultur ins Aus und hilft weder der Stadt, den Veranstaltern, noch den Besuchern. Jetzt ist der Zeitpunkt die Fördertöpfe in die richtigen Richtungen zu öffnen, diese müssen gerade für Kulturtreibende aller Art wieder leichter zugänglich gemacht und sinnvoll genutzt werden. Nur so kann die ehemals so lebendige und vielfältige Szene (wieder)belebt werden. Rise again, Graz!

Update: Die zweite Veranstaltergruppe rund um Soundportal und List-Halle hat sich für heuer aus dem Plänen zurückgezogen ein Nachfolgefestival für das Spring zu veranstalten. Grund sei die "vergiftete Atmosphäre" und Anschuldigungen vonseiten des ursprünglichen Veranstalterteams. Die Stadt Graz hat das bereits bedauert und hofft auf 2015. Rise again, Graz, 2015 dann halt!

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