Ungewohnt unpersönlich und beinahe ein Mundart-Musical: Ernst Moldens „Häuserl am Oasch“, die CD zum gleichnamigen Singspiel, funktioniert als Album nur bedingt abendfüllend. Als Einzelgeschichten bezaubern seine Storys nichtsdestotrotz.
Für den Rabenhof, Wiens Bühne für Blockbuster und FM4-Boulevard, hat Ernst Molden nun also ein Singspiel geschrieben. Und er meint es, davon ist bei Molden immer auszugehen, ernst. Also ohne Anführungszeichen und jene Koketterie, die man anderen Autoren unterstellen müsste, würden sie eine Altwiener Theatertradition wie das Singspiel wiederaufleben lassen. Zum Inhalt des Stücks muss ich – die Uraufführung findet erst am 7.April statt – den Pressetext zitieren: „Im Restaurant Waldhaus, besser bekannt als "Häuserl am Oasch", erträgt der Wirt seine Stammgäste nicht mehr. Seine Tochter sucht den Richtigen. Im Wald geht ein bärtiger Freak um. Döblinger Witwen werden unruhig, die Polizei ist es schon. Das ewige Leben und die Liebe schlagen zu. Gibt es so etwas wie einen Naturzustand, ein ideales Leben, Erlösung, ein Leben nach dem Tod? Und eines davor?“ Vorliegende CD ist das Album zum Stück, sollte also zumindest Antworten geben auf genannte Fragen. Tut sie auch.
Ernst Molden ist gewissermaßen abonniert aufs – nennen wir es nicht: „Altmodische“, sondern lieber: Unzeitgemäße, besser noch: Überzeitliche. Seine Geschichten von Outlaws, Geplagten und Ruhelosen basieren stets auf einer Ahnung vom Gestern, die Molden – als Wissender und gelernter Wiener – in die Gegenwart projiziert. Sein viel strapazierter Tummelplatz „Wien Mitte“ ist natürlich ein Rand- und Abseitiges, ein dichterisch destilliertes, vermeintlich „echtes“, jedenfalls mystifiziertes und romantisiertes Wien. Das „Häuserl am Oasch“ steht also nicht nur in der Einöde des Wienerwalds, sondern vor allem: in Wien Mitte. Auch sonst fügen sich die zwölf neuen Songs schlüssig ins Gesamtwerk des Autors (als welcher Molden schon länger nicht mehr in Erscheinung trat) und Songwriters (als welcher er mittlerweile eine Hand voll vorzüglicher Alben veröffentlicht hat; zuletzt schon im Wiener Dialekt, zeitweise unterstützt von Willi Resetarits). Inhaltlich wie musikalisch. Dennoch fehlt den „30 Gschbrizzden“, dem letzten zarten Menschen in „Döbling“ oder „Luegers Geist“, der im deutsch-österreichischen Wald wandelt und Totholz einsammelnd für Ordnung sorgt, zwar nicht der Witz, aber die Intimität und Ruhe von Moldens bisherigen Alben. Die Gemeinplätze sind die gleichen wie sonst auch, von den „uaoidn Bam“ bis zum Papa, der „en Woid ged“, doch diesmal sind sie eine Spur gemeiner als sonst. Und auch ein wenig nostalgisch. Die Originale, Abgründe, Mythen und urig aus dem Leben gegriffene Weisheiten („Ma wiad ned dreckig oissa Nossa“) wirken manchmal schlicht überstrapaziert. Vielleicht weil sie angesichts des Publikums schon für die Bühne geschaffen und manche Klischees weniger gebrochen als vielmehr aufgeblasen, manch Melodie fast schon Musical-artig ins Americana-Schrammelige überdehnt wurden.
Einzelne Bilder, die alles und nichts zusammenreimen, kompensieren in ihrer beiläufigen Unaufdringlichkeit dann aber wieder alles. „Da Nochtfoita stirbt in da Keazn, da Eiskostn mocht an Leam” (in „Ollas wos gschissn woa“) etwa, um ein Beispiel zu nennen.
Gestrig ist Moldens Musik jedenfalls nur in einem Punkt: sie negiert die neue multiethnische Realität der Stadt und ihre Konflikte, die Wien heute gerade da prägen, wo es nicht repräsentiert, sondern mitten im Leben der Leute ist. Die echten Wiener – woher auch immer sie stammen – können davon längst Lieder singen.
So ist „Häuserl am Oasch“ ein amüsantes Rollenspiel, näher am Ostbahnkurti als an Willi Resetarits. Sicher sehenswert im Gemeindebautheater, zu Hause greift man aber besser zu Moldens sonstigen Alben, etwa seinen „Bubenliedern“.
Das Singspiel „Häuserl am Oasch“ (Regie: Thomas Gratzer; u.a. mit: Michou Friesz, Gerald Votava, Heribert Sasse) ist von 7. April bis 12. Mai im Rabenhof Theater zu sehen. www.rabenhof.at
Die CD zum Singspiel ist bei Monkey Music/Hoanzl erschienen.