Wer hätte gedacht, dass zwei intelligente Menschen so einen Buch-Müll produzieren. Dabei hat es auch seine guten Seiten. Und am Ende ist alles anders.
Wer mit so viel Altpunk-Arroganz über den Müll der anderen herzieht, dem muss man den Müll ja fast zurückwerfen: Ey, echt null Bock hat auf diese alten Parolen. Geschrieben haben sie Hans Platzgumer, der es in den frühen Neunzigern mit der Band HP Zinker fast im US-Underground geschafft hätte, und Didi Neidhart, Chefredakteur des österreichischen Skug Magazins. Sie graben 120 Seiten lang den Musik-Müll der Gegenwart um.
Also beginnt ihre Schrottyssee mit DJ Antoine, David Guetta und einer Geschichte vom Frühstückstisch mit dem Sohn. Alles ist verwirrend, diese Zeit. Man wartet, dass es besser wir. Wird es aber nicht. Alles schlecht, alles Feind: kurzatmige DJs, Spotify is oasch, Schwarmfinanzierungen sowieso, MP3s Müll, CDs auch, scheiß Twitter-Reviews, der eigene Bruder und der eigene Spross haben es auch nicht verstanden und schuld hat die bekackte Gesellschaft. Eh, voll tiefgründig, das. Altpunks, so scheint’s, das sind heute die neuen Spießer, sie pochen auf die alten Werte, ihre alten Werte eben, und niemand nimmt sie ernst. Sie werden jetzt vom Schlageratzen Heino gecovert und finden das in etwa so lustig wie die Queen, als ihr die Sex Pistols eine neue Hymne verpasst haben. Ganz so simpel ist die Wirklichkeit natürlich nicht. Denn Punks sind genau so individuell wie alle anderen Selbstverwirklicher da draußen auch. Nur diese beiden hier, Platzgumer und Neidhart, die sind so. Mürrische Altpunks.
Müll ist Müll
Manchmal, da ist das alte Buch ja ganz launig zu lesen. Musik ist ja oft wertloser Dreck, die in den Top 40 sowieso – auch wenn es das Recht gibt bescheuert zu sein und seine Scheiß-Musik zu hören. Was man da hört ist oft Müll. Und endlich sagt es jemand. Diese Textstellen könnten allerdings ruhig pointierter, böser, ausgefuchster oder überraschender sein. DJ Antoine, Jason Derulo, Boygroups … dazu irgendwas mit Krebs oder Aids … nur so eine Idee. Beide liegen auch prompt mit ihrer Meinung schief zur randigen Popkritik: Nicki Minaj gut, Skrillex böse – ganz so einfach kann man das natürlich nicht behaupten, wo doch beide heftig schillern.
Müll ist Müll
So geht der Altpunk-Sermon über Seiten dahin. Und dann, plötzlich, schlägt ein Gedanke im Buch ein: Hi-Fi Klangqualität, das waren doch früher die Spießer. Plastik, Beton, Rauschen, das waren damals die Maximen von Punk. Zu MacDonald’s aus Protest gehen, Junkfood für Müllkinder. Unten, im Keller ist noch lange nicht automatisch die bessere Musik daheim. Ganze 53 Seiten braucht das Buch um mit der Pointe herauszurücken. Musik und Haltung, ja genau. Die richtige Musik für das richtige Leben, Musik als Auftrag, als Wille und Vorstellung. Na klar. So will man das. Klar möchte man aus der langen Schleife des Revivals des Revivals ausbrechen. Endlich Atompilz. Endlich Neustart. Dabei gibt es sie ja sogar, die wuchtigen und zarten, neuen Pflanzen, sagen wir zum Beispiel Dubstep. Beide Autoren selbst haben die Hoffnung, dass Musik der Zukunft von den globalen Rändern kommt, aus dem Kongo, Brasilien, New Orleans und Südafrika. Aus dem Recycling und dem Rauschen entsteht plötzlich etwas anderes. Platzgumer und Neidhart sind überzeugt, dass so etwas wieder kommen wird, ja, auch in der Popmusik.
Ob man Occupy und die Randale in London, Spanien und der arabischen Welt nun wirklich damit in Verbindung bringen kann, lässt sich zwar anzweifeln – immerhin wurde ja gerade dort klar, dass Musik eben kein essenzieller Teil von Jugendbewegungen mehr ist und die Träger des Aufstands heute technische Apparate wie Twitter und Smartphones sind – aber das Buch zeigt Lichtblicke auf. Es hat einen Antrieb. Ständig könnten neue Zusammenhänge aufblitzen. Und vieles stimmt im Einzelnen – asoziale Marktwirtschaft und Popakademiehölle und klare Worte zum Urheberrecht. Es ist polemisch; es bleibt aber oft bei diesen isolierten Slogans. Erstaunlich ist auch, dass im Buch kein Wort zum Booking-Business fällt, das wahrscheinlich mülligste Geschäft in der Musik, kurz nach dem Abmahnwesen und Knebelverträgen.
So ganz bekommt das Buch den Wunsch nach Einfachheit nicht los, nach einer übersichtlichen Welt, die es einfach nicht mehr geben wird. Letztlich ist sein Fehler aber nur die erste Hälfte, die keine Diskussion öffnet und sich im Müll verschanzt. Dann aber sehen Platzgumer und Neidhart den neuen Tag, „die neue Welt, die ständig um mich herum zerbricht und trotzdem nicht auseinanderfällt.“ Und ausgerechnet Michel Teló öffnet am Ende alle Schleusen. Für all die großartige Musik da draußen. Ich bin bereit, nimm mich, schreiben sie.
Per aspera ad astra, oder wie Punks halt so sagen.
„Musik ist Müll“ von Hans Platzgumer und Didi Neidhart ist bereits im Limbus Verlag erschienen.