Österreich schafft sich ab.

Ein Gedankenexperiment: Bevor die völkische FPÖ die Macht im Land an sich reißt und die politische Kultur vollständig zerstört: Sollte man Österreich nicht besser gleich ganz einsparen und zur bundesdeutschen "Genussregion" upgraden?

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Natürlich könnte man Österreich genauso gut zur italienischen Provinz machen. Auch das hatten wir schon einmal. Doch der Mensch strebt eigennützig nach Besserem, niemand möchte noch tiefer in den Sumpf waten. Also besser Deutschland, eine entwickelte Demokratie mit funktionierender Parteienlandschaft, funktionierender Politik und Medienvielfalt, die den politischen Horizont des hiesigen Establishments zwangserweitern würde.

Nein, ich rede hier keinem "Anschluss" das Wort. Mein Gedankenexperiment geht von keiner "völkische" Annahme aus, Österreich gehöre als Teil einer deutschen Volksgemeinschaft heim in irgendein dubioses Großdeutsches Reich. Nennen wir es besser: angewandte Entwicklungshilfe und eine suchende Abkehr vom ewigen Verdammtsein zur Provinzialität. Ruhig auch: Gedanken an eine Verzweiflungstat.

Deutschrational

Denn Österreichs Realverfassung ist verrottet. Den Parteien ist absolut nichts Positives zuzutrauen. Die Akteure befinden sich im Schwitzkasten der Bünde und Gewerkschaften, weil sie nicht von Bürgern gewählt, sondern von Lobbys legitimiert werden. Wer in diesem Land an eine politische Stelle gelangt, an der er oder sie theoretisch etwas bewegen könnte, hat praktisch keine Chance: Realpolitik ist allerorts unschön, doch in Österreich balanciert der Realpolitiker auf einem Mosaik aus Günstlingsgefalltüren. Bloß keine falsche Bewegung! Über das Versprechen einer "Politik der kleinen Schritte" kann man als routinierter Politbeobachter bloß noch bitter lachen. Warum also statt der dauernd wiederholten Ankündigung einer Verwaltungsreform (an die ohnehin kein Mensch mehr glaubt) nicht eine totale Verfassungsreform?

Was müsste Österreich aufgeben? Sogar die Bundesländer könnten nostalgisch als bessere Bezirksverwaltungseinheiten erhalten bleiben. Die Rede von der "Kulturnation" ist ohnehin nicht mehr als eine perpetuierte Behauptung, die es zur touristisch tragfähigen Lebenslüge geschafft hat. Und seine Identität als Wiener Kultur-Cluster mit Kulturlandschaft rundum, in der gesunde, naturnahe Lebensmittel produziert und gleich vor Ort verkostet werden können, dürfte Österreich als deutsche Genussregion beibehalten. Sogar patriotisch volkstümeln können diejenigen, die ohne ihr Brauchtum nicht auskommen. Bloß die Bundesebene ließe sich einsparen. Vielleicht am besten ersatzlos.

Das schicke Globetrotter-Magazin /Monocle/ hat in seiner vor dem Royal Wedding erschienenen Ausgabe launig durchillustriert, was es den Briten brächte, würden sie sich von der Monarchie verabschieden und zur Volksherrschaft bekennen. Was eingespart würde, welche Impulse es der Kreativwirtschaft brächte, würden sich Royal Mail & Co umbenennen und neue Corporate Identities entwerfen müssen. Ähnliches ließe sich locker auch für eine Genussregion Österreich durchrechnen.

Auch andere Grenzen würden fallen und zusammenfinden, was zusammengehört – etwa die radikale Rechte. Die FPÖ könnte endlich Teil der NPD werden. Und der denkende Teil der Bevölkerung dürfte sich dann den Kopf darüber zerbrechen, ob diese Partei nicht eigentlich verboten gehört.

Thomas Weber, Herausgeber

versucht konstruktiv destruktiv zu sein.

weber@thegap.at

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