»Unser Film will mit dem Vorurteil aufräumen, dass Surfen eine reine Freizeitbeschäftigung ist«

Bereits 2013 haben sich Mario Hainzl und Andreas Jaritz mit ihrem Debüt »The Old, the Young & The Sea« mit der Surfszene auseinandergesetzt, in ihrem neuen Film »Beyond« verlassen sie dabei den Kontinent, arbeiten mit Sponsoren zusammen und suchen in Marokko, Mauretanien, Senegal und Gambia nach Afrikas Surfkultur und nach inspirierenden Geschichten über Freiheit und Lebensträumen. Regisseur Mario Hainzl hat sich unseren Fragen gestellt.

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Bereits 2013 haben sich Mario Hainzl und Andreas Jaritz mit ihrem Debüt »The Old, the Young & The Sea« mit der Surfszene auseinandergesetzt, in ihrem neuen Film »Beyond« verlassen sie dabei den Kontinent, arbeiten mit Sponsoren zusammen und suchen in Marokko, Mauretanien, Senegal und Gambia nach Afrikas Surfkultur und nach inspirierenden Geschichten über Freiheit und Lebensträumen. Regisseur Mario Hainzl hat sich unseren Fragen gestellt.

Afrika und Wasser. Da denkt man derzeit an katastrophale Zustände im Mittelmeer und an etwas anderes als die Freiheit des Surfens. Was hat euch bewegt, die Surferszene Afrikas aufzusuchen?

Das ist nicht die Grundidee des Films – aber im Zuge erster Skript-Entwürfe und Überlegungen kam natürlich auch der Gedanke auf: Darf man ein so “banales” Thema wie Surfen überhaupt im Kontext von Afrika zeigen?

Für mich darf man das – man soll es sogar. Wenn es in Pariser Vororten scheppert, haben wir noch immer andere, alternative Bilder im Kopf: die Stadt der Liebe, Eiffelturm, Croissants und so weiter. Wenn ein Schüler an amerikanischen High Schools durchdreht, dann haben wir trotzdem noch Hamburger, die Route 66 und Elvis in unserem visuellen Vokabular. Im Falle von Afrika scheint dieser andere Realitätsausschnitt weitestgehend zu fehlen. Mein Eindruck ist, bei Afrika scheinen diese positiven Bilder zu fehlen.

“Beyond” kann und wird das nicht ändern. Aber die Berechtigung, einen solchen Film zu machen, haben wir schon. Und auf gewisse Art und Weise macht es mich auch stolz, dass wir Geschichten gefunden haben, die sich mit der üblichen Vorstellung von Westafrika reiben – gerade in diesen Zeiten, in denen trotz Internet und Instagram und den damit verbundenen Chancen Vorurteile und Grundannahmen eher zementiert als aufgebrochen werden.

Szenen aus »Beyond«: Surferin am beliebten Surferspot Taghazout in Marokko; Surfer in Mauretanien.[/caption]


Wie populär sind afrikanische Länder für Surfer/innen und wie stark ist ausgeprägt ist die Surfcommunity vor Ort? Mit welchen Vorurteilen räumt der Film vielleicht auch auf?

Die Surf-Szene ist entlang unserer Route von Nord-Marokko über Mauretanien nach Senegal sehr unterschiedlich ausgeprägt. Innerhalb von 250 Kilometer gibt es Surfmetropolen mit hunderten Surfern, viele davon können auch in der einen oder anderen Form davon leben, und andere Dörfer am Meer, wo noch nie jemand von dieser Sportart gehört hat.

Bspw. Saint Louis und Dakar im Senegal: In der einen Stadt versucht sich unser Protagonist am Surfen, hat sich selbst ein Board zusammengeschustert und surft am Strand, während die Fischer am Strand mit Verwunderung bis Skepsis zusehen. Er selbst hat noch nie andere Surfer getroffen – rein vom Hörensagen weiß er, dass es angeblich Surfer in Dakar gibt. In Dakar wiederum treffen wir auf Omar, ein Mann Mitte 40, der durch eine internationale Profikarriere zu Geld gekommen ist und mittlerweile mehrere Strand-Restaurants und eine Surfschule betreibt, in der er fortwährend an die 50 Kinder im Surfen unterrichtet.

Ich denke, unser Film will mit dem Vorurteil aufräumen, dass das Surfen eine reine Freizeitbeschäftigung, eine recht banale Sache ist. In unserem Umfeld, in der westlichen Wohlstandswelt – ja, da ist es eine von vielen Freizeitmöglichkeiten. Im Kontext der westafrikanischen Küste jedoch haben wir den Sport als Mittel zur Kontaktherstellung mit der Außenwelt, zu einem Eintrittspunkt für eine fremde Kultur für die Einheimischen erlebt. Schon an der Kleidung erkennt man die Surfer in den Dörfern: Am schnellsten nistet sich – wie überall – ein Dresscode einer Subkultur ein. Aber dem folgen auch Sprachkenntnisse, weil sich die Surfer für ausländische Internetangebote zu interessieren beginnen. Sie haben häufiger Kontakt mit Ausländern, die als Surftouristen auf Durchreise sind. Und damit kommen sie auch mit anderen Werten in Berührung – die bis hin zu Generationenkonflikten führen können. Immer wieder wurde uns berichtet: “Die anderen haben das Bild von uns, wir würden uns von unserer Kultur entfernen” – was durchaus sein kann. Andererseits will der Film zeigen, dass Unterschiede zwischen Menschen verschiedener Kulturen dann doch nicht zwangsläufig so groß sind. Aber das ist ja eine Binsenweisheit, eigentlich.

Ihr seid 7.000 Km gefahren, von Marokko über Mauretanien bis nach Senegal, ohne festgelegtem Drehbuch im Gepäck. Das klingt nach abenteuerlichen Dreharbeiten! Welche Erfahrungen waren für euch erwartbar und welche kamen völlig überraschend?

Unerwartet war für uns die Offenheit und Bereitschaft, ein ausländisches Filmteam, das alles wissen will, alles abfilmt, auch versucht tief hineinzusehen, aufzunehmen.

Im Vorfeld des Drehs hatte ich eine Begegnung mit einem Dokumentarfilmer aus Österreich, der schon zahlreiche Filme in Westafrika gedreht hatte. Er meinte, wir hätten uns für dieses Projekt wohl eine der schwierigsten Gegenden fürs Filmemachen ausgesucht. Auch wegen dem Islam wären Menschen nicht gerade sehr daran interessiert, gefilmt zu werden. Auf Märkten und öffentlichen Plätzen würde die Ablehnung bis hin zu offenen Beschimpfungen und Handgreiflichkeiten führen können.

Tatsächlich machten wir die Erfahrung, dass viele von den Menschen, die wir auf dieser Reise getroffen haben, geradezu dankbar waren, dass wir uns für ihr »normales Leben«, für ihren Alltag interessieren und das abbilden wollen, was ihnen Spass macht: sei es Surfen, Reisen, Skaten, BMX-Fahren. Entlang dieser Reise haben wir so tatsächlich auch Freundschaften geschlossen. So einfach haben wir uns das nicht vorgestellt.

Wenn man liest, ein Filmteam filmt eine fremde Kultur, muss man auch enthnologisch fragen: Das ist ja immer auch ein Blick von Außen, vermutlich für ein Publikum von Außen; und würde der Film ganz anders ausschauen, wenn »heimische« Filmemacher/innen den Film erzählen würden? Wie seid ihr mit diesem »europäischen Blick« umgegangen?

Wir haben versucht, auch durch unsere Fragestellungen in Interviews herauszufinden, was die Leute an sich interessant finden, was sie beschreibend für ihr Leben empfinden. Natürlich passiert dann trotzdem viel Selektionsarbeit im Schnittprozess – und da sehen wir mit unseren europäischen Augen drauf und sagen: Das ist interessant.

Ich hab den Film immer wieder in unterschiedlichen Stadien meinem alten Freund Mansour Diagne gezeigt. Er ist im Senegal aufgewachsen, hat dort Philosophie und Entwicklungsarbeit studiert und arbeitete in dem Projekt als Übersetzer, ortskundiger Guide, kultureller Berater mit. Sein Blick auf die Dinge war da sehr wertvoll für uns.

Wie ein Film ausgesehen hätte, wenn ein heimisches Team gemacht hätte? Das ist schwer zu sagen, vielleicht wäre so ein Team über die Fehlerquelle gestolpert, gewohnte Dinge als gegeben, als unnötig für so einen Film zu sehen. Dann wäre er für ein Publikum in unseren Breiten vielleicht schwerer zugänglich. Wenn man einen Dokumentarfilm macht, muss man damit leben können, immer nur einen Ausschnitt filmen zu können. Und von diesem Ausschnitt schafft es wiederum nur ein kleiner Teil in einen fertigen Film. Das Medium Film zwingt einen da zu Kürze, zu prägnanter Knickrigkeit. Bücher bieten da andere Möglichkeiten.

Das Filmteam bei einer Ruhepause in Sidi Ifni, Marokko.

Für eure erste Doku „The Old, the Young & the Sea“ habt ich noch sehr viel eigenes Geld reingesteckt. Für „Beyond“ hattet ihr professionellere Strukturen: Mehr Fördergelder, Produktionsfirmen im Hintergrund,… Was verändert sich dadurch im Arbeitsprozess? Was wird einfacher, was wird vielleicht auch komplexer?

Es wird einfacher davon zu leben, es ist einfacher, weil man sich Hilfe von Außen holen und die auch bezahlen kann. Aber die Flexibilität und kurzen Entscheidungswege leiden natürlich auch drunter. »Beyond« war von der Größenordnung noch recht in Ordnung und die Zusammenarbeit mit der Lotus Film, die uns unter ihre Fittiche genommen hat, verlief sehr angenehm. Man muss aber auch sagen, dass eine Produktion bei der Drehdauer, diesem Thema, diesen Regionen, die wir dafür bereist haben, in einer kleineren Größenordnung wahrscheinlich gar nicht möglich gewesen wäre. Da war die Art des Projekts jetzt schon anders, als wie bei »The Old…« mit einem VW-Bus in Europa die Küste entlangzureisen.

Wohin geht eure nächste Filmreise? Ihr habt mit Nomad Earth Media eine multidisziplinäre Produktionsfirma gegründet, die sich auch sehr dem Reisen verpflichtet.

Das wissen wir noch nicht so genau. Nach einer so langen Produktionszeit ist es ganz gut, einmal Abstand zu bekommen und Gedanken zirkulieren zu lassen. Ideen gibt es natürlich und thematisch wird es sicher wieder um Menschen und ihre Lebensgeschichten gehen. Aber ob diese in China, Nigeria oder Wien Ottakring spielen, ob es um Surfen oder Briefmarkensammeln geht, ist eigentlich egal. Es kann überall interessant werden.

»Beyond« ist in einer exklusiven Online-Premiere am Samstag, 11. November 2017 zu sehen. Wer sich hier registriert, hat die Chance auf einen von 1.000 exklusiven Zugängen und kann außerdem eine Woche Surfcamp in Marokko gewinnen. Zudem wird der Film auch in österreichischen Kinos gezeigt, hier geht es zu den Screeningterminen. 

Eine Interview-Reihe in Kooperation mit Cinema Next – Junges Kino aus Österreic

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